Leitsatz (amtlich)
1. Ein Abfindungsvergleich über 1,65 Mio. Euro im Nachgang zu einer gerichtlichen Feststellung der Ansprüche aus ärztlichem Fehlverhalten bedarf auch dann zwingend der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1908i iVm § 1822 Nr. 12 BGB, wenn ein Elternteil zum Betreuer bestellt wurde; für eine teleologische Reduktion -auch unter Heranziehung von § 1643 BGB - ist kein Raum.
2. Einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf es auch, wenn vor endgültiger Klärung der Berechtigung der Ansprüche seitens des Gerichts ein Vergleichsvorschlag in deutlich geringerer Höhe erfolgt ist.
3. Das Berufen auf die Unwirksamkeit des Vergleichs verstößt auch dann nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Betreuer die Vergleichssumme angenommen und für den Betreuten verwandt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Vergleich nicht durch unredliches Verhalten herbeigeführt wurde.
Normenkette
BGB §§ 242, 1643, 1822, 1908 i
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 9 O 348/16) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 8. März 2017 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 348/16 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte und alle übrigen Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO daran, dass durch richterliche Entscheidung festgestellt wird, dass seine Rechte aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bonn vom 4.2.2010 durch die Abfindungserklärung seiner Streithelferin vom 17.10.2013 nicht erloschen sind. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Rechte fortbestehen und die Abfindungserklärung und ein ihr zugrunde liegender Vergleich unwirksam sind oder ob die Rechte durch einen Vergleich wirksam abgefunden sind. Auf Leistung kann der Kläger nicht oder allenfalls teilweise klagen, da seine Ersatzansprüche in weitem Umfang nicht fällig sind. Dies gilt insbesondere für den in Zukunft anfallenden Verdienstausfallschaden und die zukünftigen Pflegekosten. Bereits jetzt ist das Fortbestehen oder Erlöschen der Rechte aus dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 4.2.2010 aber dafür mitentscheidend, wie der Kläger und seine Betreuerin finanziell disponieren.
2. Die Rechte des Klägers aus dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 4.2.2010 sind nicht erloschen. Die Abfindungserklärung und der mit ihr verbundene Vergleich sind nicht wirksam, weil die erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts nicht erteilt worden ist.
a) Die Abfindungserklärung der Streithelferin des Klägers ist Teil eines Vergleichs, durch den die Parteien nach vorausgegangenen Verhandlungen den Streit über die Höhe der Ersatzansprüche des Klägers aus dem schadensursächlichen Behandlungsfehler und dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 4.2.2010 im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt haben. Zur endgültigen Abfindung aller Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte und sonstige Personen aus der Behandlung im April 2005 waren insgesamt 1.650.000 EUR zuzüglich Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
b) Nach §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1822 Nr. 12 BGB bedarf der Betreuer der Genehmigung des Betreuungsgerichts zu einem Vergleich oder einem Schiedsvertrag, es sei denn dass der Gegenstandswert des Streits oder der Ungewissheit in Geld schätzbar ist und den Wert von 3.000 EUR nicht übersteigt oder der Vergleich einem schriftlichen oder protokollierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag entspricht. Danach war eine Genehmigung erforderlich. Sie ist aber von der Streithelferin des Klägers weder beantragt noch erteilt worden.
aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten können die §§ 1908i Abs. 1, 1822 Nr. 12 BGB nicht im Wege der teleologischen Reduktion dahin ausgelegt werden, dass das Genehmigungserfordernis nicht eingreift, wenn - wie hier - ein Elternteil zum Betreuer bestellt ist. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass Eltern eines minderjährigen Kindes nach § 1643 Abs. 1 BGB bezogen auf die Vorschrift des § 1822 BGB nur in den Fällen der Nr. 1, 3, 5 und 8 bis 11 einer Genehmigung des Familiengerichts bedürfen und der in Nr. 12 erfasste Abschluss eines Vergleichs für sie somit genehmigungsfrei ist.
Eine telelogische Reduktion setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Soweit eine Lücke vorliegt, wird die Norm auf Sachverhalte, die unter ihren Wortlaut fallen, aber vom Normzweck nicht erfasst werden, nicht angewendet.
Soweit es um die Frage geht, ob bei einer Betreuung durch den Vater, die Mutter oder bestimmte andere dem Betreuten nahe stehende Personen e...