Unterhaltsansprüche beim Wechselmodell
Unterhaltsverfahren vertretungsberechtigt sind.
Während es früher üblich war, dass im Falle der Trennung der Eltern die Kinder ihren Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil hatten und der andere Elternteil ein Umgangsrecht ausübte, haben sich in den letzten Jahren verschiedene Abweichungen von diesem sogenannten Residenzmodell entwickelt. Dabei geht es den Eltern regelmäßig darum, möglichst viel Zeit mit den Kindern zu verbringen und einen größeren Anteil an der Betreuung zu übernehmen. Dies kann durch ein erweitertes Umgangsrecht oder in Form des Wechselmodells geschehen, bei dem die Eltern die Kinder abwechselnd zu gleichen Teilen betreuen.
Bei einem solchen Wechselmodell stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Eltern jeweils für den Unterhalt des Kindes aufkommen müssen. Insbesondere kann ein Ausgleichsanspruch des geringer verdienenden Elternteils gegen den besserverdienenden bestehen. Aber wie steht es hier mit der Vertretungsbefugnis? Ist ein Elternteil berechtigt, den Unterhaltsanspruch im Namen des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend zu machen?
Bei gemeinsamen Sorgerecht grundsätzlich Gesamtvertretung des Kindes
Aus der gesetzlichen Regelung in § 1629 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB ergibt sich, dass gemeinsam sorgeberechtigte Eltern das Kind gemeinschaftlich vertreten. Für Unterhaltsansprüche gibt es eine Sonderregelung in § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach dem Elternteil die alleinige Vertretungsbefugnis zusteht, in dessen Obhut sich das Kind befindet. Wird das Kind aber im Rahmen eines Wechselmodells von beiden Elternteilen betreut, dann fehlt es an der alleinigen Obhut eines Elternteils. Die Sonderregelung greift hier nicht und es bleibt grundsätzlich bei der Gesamtvertretung der Eltern.
Vorsicht: Insichprozess ist unzulässig!
Allerdings ist der Elternteil, der vom anderen auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen wird, in diesem Verfahren nicht befugt, das Kind zu vertreten, da es sich um einen unzulässigen Insichprozess (§ 181 BGB) handeln würde. Der in Anspruch genommene Elternteil kann nicht gleichzeitig sich selbst und das Kind vertreten. Er ist in dem Fall von der Vertretung ausgeschlossen. Dieser Ausschluss des einen Elternteils führt nach Ansicht des BGH und in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung aber nicht dazu, dass auch der andere Elternteil ausgeschlossen ist. Vielmehr kann dieser in Vertretung des Kindes den Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend machen.
Wechselseitige Geltendmachung von Kindesunterhalt beim Wechselmodell
Dies führt im Ergebnis dazu, dass beim Wechselmodell beide Elternteile gegeneinander im Namen des Kindes Teilansprüche des Unterhalts geltend machen können, was nach Einschätzung des BGH den Vorteil hat, dass die Unterhaltsverpflichtung insgesamt in einem Verfahren prozessökonomisch geregelt werden kann. Sollte es hierbei zu einer Interessenkollision kommen, wird dies – so der BGH – vom Gesetz grundsätzlich hingenommen und ist vergleichbar mit der Situation, dass ein Volljähriger beide Elternteile auf Unterhalt in Anspruch nimmt.
Gilt nicht für verheiratete Eltern!
Zu beachten ist jedoch, dass diese neue Rechtsprechung des BGH nur gilt, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Bei verheirateten Eltern greift wiederum eine Sonderregelung nach § 1629 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1824 Abs. 1 Nr. 3 u. 1 BGB, wonach ein Vertretungsausschluss bei einem Rechtsstreit zwischen dem Kind und dem Ehegatten des Elternteils besteht. Aufgrund dieses gesetzlichen Ausschlusstatbestands ist bei miteinander verheirateten Eltern die Bestellung eines Ergänzungspflegers oder die teilweise Übertragung des Sorgerechts nach § 1628 BGB erforderlich.
(BGH, Beschluss v. 10.04.2024, XII ZB 459/23)
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