Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 174 Abs. 3 GVG und dem Regelungszusammenhang mit § 174 Abs. 1 und 2 GVG voraus, dass zuvor die Öffentlichkeit nach mündlicher Verhandlung durch zu verkündenden Gerichtsbeschluss ausgeschlossen wurde.
2. Der Beschluss über die Geheimhaltungspflicht kann erst in der mündlichen Verhandlung gefasst werden und nur während ihrer Dauer; vor ihrem Beginn und nach ihrem Abschluss ist er nicht zulässig und damit unverbindlich.
3. Im Rahmen der Prämienanpassungsverfahren sind konkret die in den technischen Berechnungsgrundlagen enthaltenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu bezeichnen, hinsichtlich derer der Versicherer Geheimnisschutz begehrt.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 228/18) |
Tenor
Auf die sofortigen Beschwerden des Klägers und der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 05.11.2018 wird die unter Ziffer 3 in dem Beschluss des Landgerichts Aachen - 9 O 228/18 - vom 24.10.2018 angeordnete und in dem Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Aachen vom 23.11.2018 bestätigte Verpflichtung des Klägers, der Prozessbevollmächtigten des Klägers und des im Nachgang zu bestellenden Sachverständigen zur Geheimhaltung sämtlicher Informationen aus den gemäß Ziffer 2 des Beschlusses vom 24.10.2018 überlassenen Unterlagen und den hieraus gewonnenen Erkenntnissen aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Erhöhung der Beiträge in seiner bei der Beklagten bestehenden privaten Krankenversicherung. Das Landgericht hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Eine mündliche Verhandlung hat bisher nicht stattgefunden. Mit Beschluss vom 24.10.2018 hat die Kammer die Parteien auf ihre nach dem Ergebnis der Vorberatung vorläufig vertretene Rechtsauffassung hingewiesen (Ziffer 1). Unter Ziffer 2 des vorgenannten Beschlusses wurde der Beklagten aufgegeben, sämtliche technischen Berechnungsgrundlagen, die auch dem Treuhänder Klein vor Erteilung der jeweiligen Zustimmungen zu den Beitragsänderungen betreffend die Erhöhung der im Beschluss aufgeführten Tarife zur Verfügung gestellt worden waren, zur Gerichtsakte zu reichen und dem Klägervertreter ebenfalls in Kopie zugänglich zu machen. Der Kläger, seine Prozessbevollmächtigten und der im Nachgang zu bestellende Sachverständige wurden unter Ziffer 3 des Beschlusses vom 24.10.2018 "zur Geheimhaltung sämtlicher Informationen aus den gemäß Ziff. 2 überlassenen Unterlagen und den hieraus gewonnenen Erkenntnissen verpflichtet (§ 174 Abs. 3 GVG)".
Gegen diese unter Ziffer 3 des Beschlusses des Landgerichts vom 24.10.2018 ausgesprochene Verpflichtung zur Geheimhaltung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des Klägers mit Schriftsatz vom 05.11.2018, eingegangen beim Landgericht Aachen am 06.11.2018, Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführer rügen, dass die Geheimhaltungsverpflichtung nach § 174 Abs. 3 GVG, auf den sich Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich beziehe, den vorherigen Ausschluss der Öffentlichkeit aufgrund mündlicher Verhandlung zwingend voraussetze. Das Vorgehen des Landgerichts sei verfahrensfehlerhaft. Zudem richte sich der Geheimhaltungsbeschluss einseitig nur an den Kläger, seine Prozessbevollmächtigten und an den noch zu beauftragenden Sachverständigen, nicht jedoch an die Beklagte und ihre Prozessbevollmächtigten. Dies verstoße gegen den klaren Wortlaut des § 174 Abs. 3 GVG, wonach das Gericht "den anwesenden Personen" die Geheimhaltung von Tatsachen zur Pflicht mache und zwar ohne Ausnahmen. Außerdem erlaube der Geheimhaltungsbeschluss lediglich den Austausch des Klägers mit seinen Prozessbevollmächtigten, nicht jedoch mit einem vom Kläger gegebenenfalls ergänzend einzuschaltenden Sachverständigen. Im Übrigen sei die Ziffer 3 des Beschlusses sowohl zu unbestimmt als auch zu weitgehend, wenn sich die Verpflichtung zur Geheimhaltung auf "sämtliche" Informationen aus den gemäß Ziffer 2 des Beschlusses zu überlassenden Unterlagen und den "hieraus gewonnenen Erkenntnissen" beziehe.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Das Landgericht hat den Beschwerden mit Beschluss vom 23.11.2018 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. In dem Nichtabhilfebeschluss hat das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung ergänzend ausgeführt, dass es sich bei den in Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses angesprochenen technischen Berechnungsgrundlagen um wichtige Geschäftsgeheimnisse der Beklagten im Sinne von § 172 Nr. 2 GVG handele (BGH VersR 2016, 177). Soweit diese in einer im Nachgang anzuberaumenden mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen würden, werde für diesen Teil der Verhandlung daher die Öffentlichkeit auszuschließen sein. Nach dem Verständnis der Kammer schließen die Regelungen des § 174 Abs. 1 und 3 GVG es nicht aus, die vorgen...