Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 01.12.2016; Aktenzeichen 15 O 149/16)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 1.12.2016 verkündete Urteil des LG Köln - 15 U 149/16 - wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.391,61 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO i.V.m. §§ 522 Abs. 3 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Klägerin sind mit Schreiben vom 23.1.2017 folgende Hinweise erteilt worden:

a. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15 = WM 2016, 1835 und XI ZR 564/15 = WM 2016, 1930; Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15), ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann. Gerade bei wie hier beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann, wie der BGH in seinem Urteil vom 12.7.2016 (XI ZR 501/15, juris-Tz. 41) näher dargelegt hat, das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, aber nicht nur, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags vorzeitig erfolgte und auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht.

b. Nach den dargestellten Vorgaben sieht der Senat das sog. Zeitmoment in Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin, nachdem ihr die Widerrufsbelehrung seit dem Vertragsschluss im Jahre 2005 - dem für die Beurteilung des Zeitmomentes maßgeblichen Zeitpunkt - vorlag, fast acht Jahre hat verstreichen lassen, bevor sie den Widerruf erklärt hat, als erfüllt an. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob sie von dem trotz Fristablaufs tatsächlich - d.h. aus rechtlichen Gründen - fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis hatte.

c. Angesichts der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag ist der Senat der Auffassung, dass auch das sog. Umstandsmoment erfüllt ist. Die Beklagte musste nach der bereits im April 2013 erfolgten, vollständigen Rückzahlung der Darlehensvaluta im August 2015 entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mehr mit einem Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung rechnen, sondern durfte auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen. Dabei bedarf es - zur Begründung des Vertrauens auf Seiten der Beklagten - zumindest im vorliegenden Fall und in Anbetracht der Länge der seit der vollständigen Vertragserfüllung verstrichenen Zeit keines über die bloße Untätigkeit der Klägerin hinausgehenden Verhaltens, weil schon in diesem Untätigbleiben ein für die Bildung des schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten der Beklagten ausreichender Umstand liegt.

Dem steht schließlich auch nicht entgegen, dass dem Verbraucher im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht eingeräumt wird. Dies bedeutet lediglich, dass das Widerrufsrecht des nicht ordnungsgemäß belehrten Verbrauchers keiner gesetzlichen Ausübungs- oder Ausschlussfrist unterliegt, nicht aber, dass es ungeachtet der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gleichsam unbegrenzt ausgeübt werden könnte. Insoweit gelten für ein unbefristetes Widerrufsrecht prinzipiell die gleichen Beschränkungen wie für andere, nicht an die Einhaltung bestimmter Fristen gebundene Gestaltungsrechte (BGH vom 12.7.2016, a.a.O.).

Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und das daraus folgende - grundsätzliche - Fortbestehen ihres Widerrufsrechts bis zur vollständigen Erfüllung der Vertragspflichten im Jahre 2013 nicht bekannt gewesen sein mag.

Hieran hält der Senat ...

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