Entscheidungsstichwort (Thema)

Echte Rückwirkung der Satzung eines katholischen Versorgungswerkes

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 05.05.2004; Aktenzeichen 20 O 40/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des LG Köln vom 5.5.2004 - 20 O 40/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten wird gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung nicht erfordern.

1. Zu Recht hat die Kammer erkannt, dass die n.F. der Satzung nicht auf den Kläger angewandt werden kann, weil dies gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen würde. Das in Art. 20 Abs. 3 verankerte Rechtsstaatsprinzip und die daraus abgeleiteten Grundsätze sind ein tauglicher Prüfungsmaßstab für die Inhaltskontrolle der Satzungsbestimmungen. Die Beklagte ist kein rein privatrechtlich zu beurteilendes Rechtssubjekt. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und sie erfüllt als Versorgungsträger mit der Versicherung der Arbeitnehmer des (quasi) öffentlichen Dienstes öffentliche Aufgaben. Sie ist daher allen Regelungen des Grundgesetzes unterworfen, nicht nur allen Grundrechten, sondern auch dem Rechtsstaatsprinzip, und zwar nicht nur mittelbar über § 242 BGB, sondern unmittelbar (BGH v. 16.3.1988 - IVa ZR 154/87, BGHZ 103, 370 [383] = MDR 1988, 761; Schantl, Die Besitzstandsrente der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, VersR 2004, 126 [128]). Die verfassungsrechtlichen Grundsätze, die für die Rückwirkung von Normen gelten, sind auch auf die Satzung der Beklagten anzuwenden. Hier geht es, wie die Beklagte nicht bestreitet, um einen Fall echter Rückwirkung, d.h. der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereiches liegt vor dem Zeitpunkt, an dem die Norm rechtlich existent geworden ist. Die geänderte Satzung greift in abgeschlossene Sachverhalte ein. Sie entzieht damit dem Kläger eine bereits erlangte Rechtsposition. Sie unterfällt dadurch, dass sie in der Person des Berechtigten entstanden ist, dem Schutz des Art. 14 GG. Die Entscheidung des BVerfG vom 18.2.1998 (BVerfGE 97, 271 ff.; NJW 1998, 3109 ff.), wonach Ansprüche von Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Versorgung ihrer Hinterbliebenen nicht Art. 14 GG unterliegen, betrifft die anders gelagerte Konstellation des noch nicht eingetretenen Versicherungsfalls. Im Streitfall geht es indessen darum, ob dem Berechtigten rückwirkend ein entstandenes Stammrecht vollständig entzogen werden kann, nicht um Veränderungen des künftigen Rentenbezugs der Höhe nach.

Ob für den hier vorliegenden Fall der Rückwirkung einer Satzungsbestimmung auf den Zeitpunkt der Verkündung abzustellen ist, wie die Kammer meint, oder auf den der Genehmigung, kann offen bleiben, da beide Zeitpunkte später sind als der Rechtserwerb durch den Kläger.

Eine Durchbrechung des verfassungsrechtlich garantierten Rückwirkungsverbots wird durch das BVerfG allerdings anerkannt für den Fall, dass kein schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen mehr vorhanden ist. So soll der Betroffene ab dem Zeitpunkt des Gesetzgebungsbeschlusses, von dem ab mit der Verkündung des Gesetzes und seinem In-Kraft-Treten zu rechnen ist, sein Verhalten zumutbarer Weise auf die neue Rechtslage einstellen können (BVerfG v. 14.5.1986 - 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 [260 f.]). Unter diesem Gesichtspunkt gibt es hier keinen Ansatz für eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots. Weder der Kläger noch seine Ehefrau konnten sich hier auf irgend etwas einstellen. Die Änderung der Satzung war ein interner Vorgang bei der Beklagten. Es geht nicht an, den Beschluss des Verwaltungsrates mit einem Gesetzgebungsbeschluss des Bundestages zu vergleichen. Letzterer ist öffentlich und geeignet, den Betroffenen vor Augen zu führen, dass demnächst eine Rechtsänderung erfolgen wird, Ersterer nicht.

Im Übrigen verkennt die Beklagte die Tragweite des schutzwürdigen Vertrauens. Der Kläger hat keine Vermögensdisposition im Hinblick auf eine bestimmte, ihm günstige Rechtslage getroffen, sondern schlicht geheiratet. Es geht auch nicht um mit der Heirat erworbene Erwerbsaussichten oder Anwartschaften, auf deren Erstarkung zum Vollrecht der Kläger hätte vertrauen dürfen, sondern um das Vertrauen darin, ein endgültig erworbenes Recht auch behalten zu dürfen, auch wenn es wegen möglicherweise längerer Laufzeit Veränderungen i.S.v. Anpassungen unterliegt, womit vernünftigerweise jedermann rechnen muss. Den vollständigen Entzug des Stammrechts braucht aber niemand hinzunehmen, es sei denn, zwingende Gründe des gemeinen Wohls würden dies auch nach Abwägung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit unabweisbar erfordern. Dafür ist indessen nichts ersichtlich.

Eine Beurteilung nach rein zivilrechtlichen Maßstäben ergibt nichts anderes. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH...

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