Leitsatz (amtlich)

Zur "Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung" bei erheblichen Zweifeln an der zutreffenden Ermittlung der IP-Adressen der Anschlussinhaber

Bestehen aufgrund mehrfacher Nennung gleicher IP-Adressen im Auskunftsantrag Zweifel, ob die Antragstellerin die IP-Adressen, die Gegenstand des Verfahrens insgesamt sind, zuverlässig ermittelt hat, fehlt es an der für die Anordnung gem. § 101 Abs. 9 UrhG erforderlichen Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung.

Der in einem Beschwerdeverfahren ergangene Beschluss ist rechtskräftig.

 

Normenkette

UrhG § 101 Abs. 2, 9

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 16.06.2010; Aktenzeichen 203 O 203/10)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Köln - 203 O 203/10 - vom 16.6.2010 den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, soweit darin der Beteiligten gestattet worden ist, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift desjenigen Inhabers eines Internetanschlusses zu erteilen, 12.6.2010 um 21:30:36 Uhr MEZ die IP-Adresse 87.152.123.245 zugewiesen war.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat, gestützt auf Rechte an einem Filmwerk, den Erlass einer Anordnung gem. § 101 Abs. 9 UrhG beim LG Köln erwirkt. Diese Anordnung bezog sich auf 33 IP-Adressen, von denen aus - so die Behauptung der Antragstellerin - im Zeitraum vom 12.6.2010 bis zum 15.6.2010 das verfahrensgegenständliche Werk im Internet zum Herunterladen angeboten worden sein soll.

Auf der Grundlage dieser Anordnung hat die weitere Beteiligte, ein Internetprovider, der Antragstellerin die entsprechende Auskunft erteilt. Die Antragstellerin behauptet, nach dieser Auskunft sei die im Tenor genannte IP-Adresse zu dem dort genannten Zeitpunkt dem Beschwerdeführer zugeordnet gewesen. Die Antragstellerin mahnte den Beschwerdeführer ab.

Der Beschwerdeführer hat Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss eingelegt. Er bestreitet, dass die fragliche IP-Adresse zu dem angegebenen Zeitpunkt seinem Internetanschluss zugeordnet gewesen sei. Auf seine Nachfrage bei der weiteren Beteiligten habe diese ihm eine entsprechende Auskunft nicht bestätigt, sondern darauf hingewiesen, dass die Daten nach der Auskunft an den Rechtsinhaber gelöscht würden. Die Beschwerde bezweifelt zudem, dass die Daten, die Gegenstand des Beschlusses sind, fehlerfrei ermittelt worden sind. Es sei nämlich angesichts des Umstands, dass IP-Adressen dynamisch vergeben würden, unerklärlich, dass das Werk unter derselben IP-Adresse, die dem Beschwerdeführer angeblich am 12.6.2010 um 21:30 Uhr zugewiesen gewesen sei, am Folgetag um 23:01 Uhr und am 14.6.2010 um 20:37 Uhr wiederum angeboten worden sein soll. Zudem weist die Beschwerde darauf hin, dass vier weitere IP-Adresse in der Liste jeweils doppelt mit einem Zeitabstand von mehr als 24 Stunden aufgeführt sind; fünf weitere Adressen sind an zwei verschiedenen Tagen aufgeführt, wobei der zeitliche Abstand von 24 Stunden teilweise nur um Sekunden unterschritten ist. Außerdem stellt die Beschwerde die Werkqualität des Films, die Rechtsinhaberschaft der Antragstellerin und das Vorliegen eines gewerblichen Ausmaßes der Rechtsverletzung in Frage.

Die Antragstellerin hat hierzu erklärt, die von der weiteren Beteiligten zur Verfügung gestellten Daten würden automatisiert in die Datenbank der Anwaltssoftware eingelesen. Es sei unter der im Tenor genannten IP-Adresse nur der Beschwerdeführer abgemahnt worden. Die Antragstellerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die weitere Beteiligte nach einer Zwangstrennung der Internetverbindung dem Anschlussinhaber zwingend eine neue IP-Adresse zuweise. Es sei vielmehr wahrscheinlich, dass die fragliche IP-Adresse dem Beschwerdeführer mehrfach unter verschiedenen Daten zugeordnet gewesen sei. Gleiches gelte für die weiteren mehrfach genannten IP-Adressen. Hierfür spreche, dass die weitere Beteiligte bis Ende 2011 alle DSL-Anschlüsse auf den sog. Dual-Stack-Betrieb umstellen wolle, wodurch die Zwangstrennung wegfalle. Es seien auch in der Vergangenheit bereits Testläufe bei Privatkunden durchgeführt worden. Die eingesetzte Ermittlungssoftware arbeite zuverlässig; dies sei durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten festgestellt worden. Wegen des Weiteren Inhalts wird auf den Schriftsatz vom 28.1.2011 (Bl. 93 ff.) verwiesen.

II. Die Beschwerde hat Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Anschlussinhaber kann - nach Eintritt der Erledigung der Hauptsache durch die Erteilung der Auskunft durch den Internet-Provider - gem. § 62 FamFG i.V.m. § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG Beschwerde einlegen, wenn er geltend macht, durch den Anordnungsbeschluss in seinen Rechten verletzt zu sein (vgl. im Einzelnen OLG Köln, Beschl. v. 5.10.2010 - 6 W 82/10, WRP 2010, 1554). Insofern kann zwar nicht geltend gemacht werden, die von dem Internet-Provider erteilte Auskunft sei falsch, weil dies nicht Gegenstand des Anordnungsverfahrens ist. Zulässig ist es aber, d...

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