Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzung des Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweissicherungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Im selbständigen Beweisverfahren unterliegt die Zurückweisung des Gesuches auf erneute Begutachtung oder eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen nicht der sofortigen Beschwerde, da es sich um Ermessensentscheidungen des Gerichts handelt. Anders liegt es, wenn das Gericht die beantragte Einholung eines Gutachtens zu einer über das ursprüngliche Beweisthema hinausgehenden Frage ablehnt oder dem Antrag mit der Begründung nicht stattgibt, das selbständige Beweisverfahren sei beendet oder der Antrag aus sonstigen Gründen rechtlich unzulässig.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 22.03.2004; Aktenzeichen 14 OH 1/02)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 1.4.2004 wird der Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des LG Bonn vom 22.3.2004 - 14 OH 1/02 - aufgehoben und das LG angewiesen, den Antrag auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses abzulehnen.

 

Gründe

Das Rechtsmittel hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zu erneuten Entscheidung an das LG zurückverweisen ist.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Allerdings unterliegt nach überwiegender Auffassung die Zurückweisung des innerhalb eines selbständigen Beweisverfahrens gestellten Gesuches auf eine erneute Begutachtung (§§ 492 Abs. 1, 412 ZPO) oder eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zum gleichen Beweisthema nicht der sofortigen Beschwerde (OLG Köln vom 28.5.2001 - 11 W 16/01, OLGReport Köln 2002, 128; vom 28.4.1999 - 19 W 15/99, OLGReport Köln 1999, 305; Beschl. v. 30.9.2003 - 24 W 34/03; OLG Düsseldorf vom 12.9.1997 - 22 W 48/97, OLGReport Düsseldorf 1998, 38 = BauR 1998, 366 = NJW-RR 1998, 933; OLG Hamm vom 16.3.2001 - 20 W 32/00, NVersZ 2001, 384 = OLGReport Hamm 2001, 251; OLGReport Hamm 1996, 203; OLG Frankfurt vom 22.1.1996 - 1 W 38/95, OLGReport Frankfurt 1996, 82; OLG Schleswig OLGReport Schleswig 2003, 308; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 96; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 490 Rz. 9; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 490 Rz. 4 je. m.w.N.). Hierbei handelt es sich um im Ermessen des Gerichts stehende Entscheidungen, die einen Antrag nicht erfordern; gegen derartige Entscheidungen ist eine Beschwerde, sofern sie im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), nicht gegeben (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rz. 16; Braun in Münchener Kommentar/ZPO, 2. Aufl., § 567 Rz. 7a; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 567 Rz. 35). Anders liegt es, wenn die beantragte Einholung eines Gutachtens zu einer über das ursprüngliche Beweisthema hinausgehenden Frage verweigert wird oder wenn das Gericht dem Antrag mit der Begründung nicht stattgibt, das selbständige Beweisverfahrens sei beendet. In diesen Fällen ist die Beschwerde statthaft (OLG Köln vom 28.5.2001 - 11 W 16/01, OLGReport Köln 2002, 128; vom 11.12.1997 - 12 W 59/97, OLGReport Köln 1998, 54 = BauR 1998, 591; OLG Jena BauR 2003, 518). Als Zurückweisung eines das Verfahren betreffenden Gesuches nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist die Entscheidung in diesem Falle der Überprüfung durch das Beschwerdegericht unterworfen, da sich das Rechtmittel nicht gegen die Ausübung des Ermessens, sondern gegen dessen Nichtausübung richtet. Danach ist hier die sofortige Beschwerde gegeben. Zum einen gehen die jetzigen Beweisfragen der Antragstellerin über das bisherige Beweisthema zumindest teilweise hinaus. Zum anderen hat das LG die Anordnung einer ergänzenden Beweisaufnahme mit der Begründung zurückgewiesen, eine weitere Begutachtung sei unzulässig, weil der Antrag nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nach der Zustellung des ersten Gutachtens gestellt worden sei. Letzteres steht der Ablehnung des Gesuches wegen einer Verfahrensbeendigung gleich und ist wie diese eine rechtlich begründete Zurückweisung eines Verfahrensgesuchs, die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist.

Die danach statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des LG ist der Antrag auf eine ergänzende Begutachtung nicht verspätet, sondern innerhalb eines angemessenen Zeitraumes (§§ 411 Abs. 4, 492 Abs. 1 ZPO) gestellt worden. Abzustellen ist nicht auf den Zeitraum ab der Zustellung des ersten Gutachtens, sondern dem nach der Zustellung des letzten Ergänzungsgutachtens vom 7.1.2004. Zwischen dem Zugang dieses Gutachtens und der Eingang des Antrages lagen aber nur etwa drei Wochen. Ein solcher Zeitraum ist ohne weiteres angemessen, so dass der Antrag nicht erst nach Beendigung des Verfahrens gestellt worden ist (OLG Köln vom 28.5.2001 - 11 W 16/01, OLGReport Köln 2002, 128; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 112 ff. jeweils m.w.N.). Das LG durfte den Antrag daher nicht aus dem Gesichtspunkt einer formellen Verspätung zurückweisen.

Der Beschluss ist deshalb aufzuhe...

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