Entscheidungsstichwort (Thema)
Hygienemängel in Krankenhaus; Aufklärung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beweislastumkehr bei behaupteten Hygienemängeln im Krankenhaus kommt dem Kläger nur zugute, wenn feststeht, dass eine eingetretene Infektion aus einem hygienisch voll beherrschbaren Bereich stammt. Die Anforderungen an die diesbezügliche Darlegung sind hoch anzusetzen und erfordern das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Hygienemängel.
2. Dass die Eingriffsaufklärung nicht anhand eines (vom Patienten unterschriebenen) Aufklärungsbogens erfolgt, indiziert nicht das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Ein Eintrag über die erfolgte Aufklärung in der Kurve kann als Dokumentation ausreichen.
3. Die glaubhafte Schilderung einer ständigen und gleichmäßigen Aufklärungspraxis über Infektionsrisiken durch den Behandler kann zur Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichen, wenn die dem widersprechende Schilderung des klagenden Patienten in anderen Punkten nicht nachvollziehbar ist.
Normenkette
BGB §§ 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 4.4.2012 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln (25 O 407/10) durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
Das LG hat vielmehr zu Recht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Ersatz für materielle und immaterielle Schäden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen, weil dem Kläger der ihm obliegende Beweis für schadensursächliche Behandlungsfehler nicht gelungen ist und auch Aufklärungsversäumnisse nicht vorliegen. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht und bietet lediglich Veranlassung für folgende ergänzende Anmerkungen:
1. Der Kläger kann seine Ansprüche nicht darauf stützen, dass im Hause der Beklagten gegen Hygienestandards verstoßen worden ist. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass es im Hause der Beklagten zu schuldhaften Verstößen gegen Hygienestandards gekommen ist, auf denen die beim Kläger aufgetretene Infektion beruht. Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass er aus dem Umstand, dass bei ihm im zeitlichen Zusammenhang mit dem umstrittenen Eingriff eine Infektion aufgetreten ist, schließt, dass im Hause der Beklagten zu der fraglichen Zeit ein angemessener Hygienestandard nicht gewährleistet gewesen ist. Auf der Basis dieses Vorbringens des Klägers und des Akteninhalts im Übrigen bedeutete die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu eventuellen Hygienemängeln und zu der Frage der Ursächlichkeit eventueller Hygienemängel für die geklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers eine in dieser Form auch in Arzthaftungsprozessen unzulässige Ausforschung.
Dem Kläger kommen auch keine Erleichterungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast zugute. Solche ergeben sich für ihn insbesondere nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Hygienemängeln. Denn danach kann eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität eines Hygienemangels für eine Infektion und zugleich auch für das Verschulden hinsichtlich des Hygienemangels nur dann angenommen werden, wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen sein muss [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW 1991, 1541, Juris-Rz. 11 - st. Rspr.]. Denn absolute Keimfreiheit gibt es im Operationsbereich nicht. Im Hinblick darauf gehören Keimübertragungen, die sich aus nicht beherrschbaren Gründen und trotz Einhaltung der gebotenen hygienischen Vorkehrungen ereignen, zum entschädigungslos bleibenden Krankheitsrisiko des Patienten [BGH, a.a.O., - st. Rspr.]. Im Hinblick darauf sind bei Hygienemängeln die Anforderungen an substantiierten Vortrag eines Klägers, der glaubt, Opfer von Hygienedefiziten geworden zu sein, hoch. Insbesondere reicht es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht vorzutragen, dass der betroffene Patient ohne Infektion eine Behandlung angetreten hat und nach der Behandlung infiziert war. Denn das Auftreten einer Infektion als solches stellt keinen Anhaltspunkt für einen haftungsbegründenden Hygienemangel dar [BGH, a.a.O., - st. Rspr.]. Für substantiierten Vortrag insoweit und als notwendige Basis für eine Beweisaufnahme durch sachverständige Begutachtung bedürfte es deshalb eines konkreten Anhalts...