Leitsatz (amtlich)

1) Die Bestellung eines Nachlasspflegers auf Antrag eines Gläubigers nach § 1961 BGB setzt nicht voraus, dass der Anspruch des Gläubigers sogleich gerichtlich geltend gemacht werden soll. Es genügt, dass der Gläubiger den Anspruch zunächst außergerichtlich verfolgen möchte.

2) Die Voraussetzungen des § 1961 BGB sind regelmäßig gegeben, wenn der Erbe unbekannt ist und der Vermieter des Verstorbenen einen Ansprechpartner benötigt, um die Kündigung des Mietvertrages auszusprechen und die Räumung der Mietwohnung erreichen zu können.

 

Normenkette

BGB §§ 229, 231, 857, 858 Abs. 1, §§ 1960-1961; FamFG § 69 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Leverkusen (Beschluss vom 10.11.2010; Aktenzeichen 9 VI 109/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 29.11.2010 wird der Beschluss des Rechtspflegers des AG Leverku-sen vom 10.11.2010 - 9 VI 109/09 - dahin geändert, dass für den Nachlass des zwischen dem 19. und 20.1.2009 ver-storbenen Erblassers I. G. B. die Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vertretung des Nachlasses gegenüber Ansprüchen der Antragstellerin angeordnet wird.

Die Auswahl und die Bestellung des Nachlasspflegers werden dem AG übertragen.

 

Gründe

1. Der Erblasser, Herr I. G. B., ist zwischen dem 19. und dem Februar 2010 verstorben. Er hatte eine Mietwohnung in einem Hause der Antragstellerin, nämlich dem Mehrfamilienhaus J. 77 in M. bewohnt. Mit Antrag vom 25.6.2009, der am 27.6.2009 bei dem AG eingegangen ist, hat die Antragstellerin die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft beantragt und zur Begründung ausgeführt, sie wolle wieder rechtmäßig in den Besitz der Wohnung kommen. Mit Schriftsatz vom 24.9.2009 hat sie diesen Antrag wieder zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 17.11.2009 hat die Antragstellerin erneut die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft beantragt. Mit Anwaltsschriftsatz vom 20.1.2010 hat die Antragstellerin nochmals die Einrichtung einer solchen Nachlasspflegschaft beantragt. Zwischenzeitlich hat sie - mit Schriftsatz vom 24.3.2010 - ihren Antrag auch auf die Einrichtung einer Abwesenheitspflegschaft gerichtet, nachdem der Rechtspfleger des Nachlassgerichts mit Verfügung vom 4.2.2010 einen entsprechenden Antrag anheim gestellt hatte. Nachdem eine andere Rechtspflegerin des AG mit Verfügung vom 12.4.2010 mitgeteilt hatte, dass eine Abwesenheitspflegschaft nicht eingerichtet werden könne, und anheim gestellt hatte, den Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft weiter zu verfolgen, "falls die Voraussetzungen des § 1961 BGB vorliegen", und nachdem die Antragstellerin im Anschluss hieran mit Schriftsatz vom 4.5.2010 gebeten hatte, dem Verfahren betreffend die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft Fortgang zu geben, hat der Rechtspfleger des Nachlassgerichts durch Beschluss vom 28.5.2010 den "Antrag ... vom 4.5.2010 auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft gem. § 1960 BGB als unbegründet zurückgewiesen".

Mit neuerlichem Antrag vom 14.10.2010 hat die Antragstellerin wiederum um Einrichtung einer Nachlasspflegschaft gebeten. Mit Beschluss vom 10.11.2010 hat der Rechtspfleger auch diesen weiteren Antrag "auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft gem. § 1960 BGB als unbegründet zurückgewiesen". Gegen diesen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 17.11.2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der am 29.11.2010 bei dem AG eingegangenen Beschwerde vom selben Tage, der der Rechtspfleger des AG durch Verfügung vom 2.12.2010 nicht abgeholfen hat.

2. Die Beschwerde ist zulässig. Über das Rechtsmittel hat nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit b) GVG n.F. das OLG zu entscheiden. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die von ihr auch jetzt erstrebte Einrichtung einer Nachlasspflegschaft erstmals schon im Juni 2009 und damit vor dem Stichtag vom 1.9.2009 (Art. 111 Abs. 1, 112 Abs. 1 FGG-RG) beantragt hatte. Zwar ist nach der Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG - auch auf das Rechtsmittelverfahren und den Rechtsmittelzug - noch das bis zu diesem Stichtag geltende Verfahrensrecht in den Angelegenheiten anzuwenden, die bis zum Inkrafttreten der Neuregelung eingeleitet worden oder deren Einleitung bis zu diesem Zeitpunkt beantragt worden war. Nach Art. 111 Abs. 2 FGG-RG ist jedoch jedes gerichtliche Verfahren, welches mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren i.S.v. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG. Bei dem Verfahren, welches durch den Antrag vom 14.10.2010 eingeleitet worden ist, handelt es sich somit um ein solches selbständiges Verfahren, in dem deshalb das seit dem 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden ist.

Die Beschwerde ist gem. Art. 58 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthaft und in rechter Form und Frist (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FamFG) eingelegt worden. Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft steht dem Gläubiger, der diese Anordnung beantragt hatte, gem. § 59 Abs. 2 FamFG die Beschwerde zu (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2010, 1594 mit weit. Nachw.). Der Beschwerdewert des § 61 Ab...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge