Leitsatz (amtlich)
1. Der Einwand, die Vereinbarung über eine im Bauvertrag vereinbarte Bürgschaft auf erstes Anfordern sei von Anbeginn an unwirksam, kann der Inanspruchnahme des Bürgen nur entgegengehalten werden, wenn sie sich die Unwirksamkeit aus dem unstreitigen Parteivorbringen oder dem Inhalt der Vertragsurkunden ohne Weiteres entnehmen lässt. Der Hauptschuldner kann deshalb die Inanspruchnahme des Bürgen im Wege der einstweiligen Verfügung nur dann erfolgreich abwehren, wenn er mit derart liquiden Mitteln glaubhaft macht, dass der Sicherungsgläubiger eine formale Rechtsstellung missbraucht.
2. Auch einzelne Klauseln in im Übrigen individuell ausgestalteten Verträgen können Allgemeine Geschäftsbedingungen sein.
3. Eine unter Kaufleuten im Baugewerbe vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern kann dem Maßstab des § 9 AGBG stand halten. Dem gegenüber kann eine derart vereinbarte Gewährleistungsbürgschaft unwirksam sein, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist.
4. Macht der Gläubiger (Verfügungsbeklagte), der den Bürgen aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch nimmt, in dem auf Erlass einer dies untersagenden einstweiligen Verfügung gerichteten, von dem Hauptschuldner betriebenen Verfahren glaubhaft, dass eine Vertragsklausel über die Stellung der Bürgschaft auf Veranlassung des Hauptschuldners in den Vertrag aufgenommen wurde, so ist durch eine dem widersprechende eidesstattliche Versicherung nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Vertragsklausel von dem Gläubiger i.S.d. § 1 Abs. 1 AGBG gestellt worden ist.
5. Dass eine Vertragsbedingung in einem Bauvertrag über die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurde (§ 1 Abs. 1 AGBG), ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, wenn nicht auszuschließen ist, dass es sich um eine Individualvereinbarung unter Benutzung üblicher Muster handelt.
6. Für ein Aushandeln i.S.d. § 1 Abs. 2 AGBG kann es ausreichen, dass die – zunächst als Allgemeine Geschäftsbedingung in den Bauvertrag eingeflossene – Vereinbarung über eine vom Auftragnehmer eines Bauvertrages zu stellende Bürgschaft auf erstes Anfordern auf dessen Bitte nachträglich geändert wurde, wenn er in diesem Zusammenhang ausreichende Freiheit zur Gestaltung der Vertragslage hatte, insbesondere der Auftraggeber hinsichtlich der grundsätzlichen Verpflichtung zur Stellung einer Sicherheit auf erstes Anfordern verhandlungsbereit war
7. Der Streitwert eines auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahrens, in dem der Auftragnehmer eines Bauvertrages dem Auftraggeber die Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern untersagen lassen will, ist i.d.R. auf einen Bruchteil der streitigen Bürgschaftssumme zu bemessen (hier: 1/2).
Normenkette
BGB a.F. §§ 242, 633, 765; ZPO §§ 294, 920 Abs. 2, § 935 ff.; AGBG § 9
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 18 O 13/01) |
Tenor
Die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Gründe
Auf die zulässige Berufung ist nur noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden, nachdem die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 91a Abs. 1 ZPO).
Es entspricht billigem Ermessen, die Verfahrenskosten beider Instanzen der Verfügungsklägerin aufzuerlegen; die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Der Vortrag der Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren und die hier vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Verfügungsklägerin hat ihren Verfügungsantrag darauf gestützt, dass die Vereinbarungen über die Stellung einer Sicherheit in § 11 der Verträge als „Allgemeine Geschäftsbedingungen” unwirksam seien. Dieser Einwand rechtfertigte den Erlass der erstrebten einstweiligen Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten nicht.
1. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern dient der schnellen Durchsetzung der gesicherten Ansprüche; deshalb können, sofern die formellen Voraussetzungen für die Zahlungspflicht des Bürgen vorliegen, der Inanspruchnahme Einwendungen tatsächlicher und/oder rechtlicher Art auch nur in Ausnahmefällen entgegen gehalten werden; sie sind einem künftigen Rechtsstreit auf Rückforderung der Bürgenleistung vorbehalten, es sei denn, die Inanspruchnahme der Bürgschaft stellt sich als eine missbräuchliche und für jedermann klar erkennbare Ausnutzung einer formalen Rechtsposition dar (Arglisteinwand aus § 242 BGB; vgl. u.a. BGH v. 10.2.2000 – IX ZR 397/98, NJW 2000, 1563 [1564] = MDR 2000, 654; NJW 2001, 1857; OLG Düsseldorf WM 2001, 2294 [2295 f.] = BauR 2001, 1940 ff., jeweils m.w.N.). Nichts anderes gilt für den Einwand, die Vereinbarung über die Sicherheitsleistung (auf erstes Anfordern) sei „von Anbeginn an” unwirksam; dies kann der Inanspruchnahme nur entgegengehalten werden, wenn sich dies aus dem unstreitigen Parteivorbringen oder dem Inhalt der Vertragsurkunden ohne Weitere...