Leitsatz (amtlich)
Ein Ordnungsgeldbeschluss gem. §§ 278 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 141 Abs. 3 ZPO gegen eine Prozesspartei, die trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht zur Güteverhandlung erschienen ist, ist der Prozesspartei (hier: Geschäftsführer einer beklagten GmbH) persönlich zuzustellen. Der Zugang bei ihrem Prozessbevollmächtigten setzt die Beschwerdefrist nicht in Lauf.
Ein Ordnungsgeld darf nicht verhängt werden, wenn die Güteverhandlung aus anderen Gründen als wegen des Nichterscheinens der Partei nicht stattfinden kann, z.B. wegen Säumnis der Gegenpartei.
Normenkette
ZPO §§ 141, 278
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 23.08.2006; Aktenzeichen 16 O 113/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers der Beklagten wird der gegen ihn am 23.8.2006 erlassene Ordnungsgeldbeschluss der 16. Zivilkammer des LG Köln - 16 O 113/06 - aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
Gründe
I. Das LG hat gegen den zur Güteverhandlung am 23.8.2006 nicht erschienen Geschäftsführer der Beklagten, dessen persönliches Erscheinen hierzu angeordnet war, ein Ordnungsgeld von 500 EUR festgesetzt. Für die Gegenseite war niemand erschienen; gegen sie ist auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein Versäumnisurteil ergangen. Das den Ordnungsmittelbeschluss enthaltende Sitzungsprotokoll ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 4.9.2006 zugestellt worden; eine Zustellung an den Geschäftsführer der Beklagten ist nicht erfolgt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 25.10.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Geschäftsführers der Beklagten, der vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beantragt.
Das LG hat dem Rechtsmittel wegen Versäumung der Beschwerdefrist nicht abgeholfen und das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Geschäftsführers der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 278 Abs. 3 Satz 2, 141 Abs. 3 Satz 1, 380 Abs. 3 ZPO zulässig; sie ist nicht verfristet. Denn die Zweiwochenfrist des § 569 ZPO war mangels Zustellung an den Betroffenen nicht in Lauf gesetzt worden und damit auch nicht abgelaufen.
Die Rechtsmittelfrist wird mit der Zustellung in Gang gesetzt. Betrifft der Beschluss ein Ordnungsmittel gegen den gesetzlichen Vertreter einer Partei, ist die Zustellung an den Betroffenen erforderlich (OLG Hamburg v. 10.10.2002 - 1 W 40/02, OLGReport Hamburg 2003, 50 f.; Leipold in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 141, Rz. 50). Die Zustellung des den Ordnungsmittelbeschluss enthaltenden Sitzungsprotokolls an den Prozessbevollmächtigten der Partei reicht nicht aus. Denn das Ordnungsmittel betrifft den gesetzlichen Vertreter der Partei über seine Parteistellung im Prozess hinaus persönlich und unmittelbar. Ebenso wie ihm die Ladung gem. § 141 Abs. 2 ZPO persönlich mitzuteilen ist, auch wenn für die Partei ein Prozessbevollmächtigter bestellt worden ist, so ist auch die Sanktion des Nichterscheinens ihm persönlich zuzustellen. Als Betroffener eines gegen ihn persönlich verhängten Ordnungsgeldes befindet er sich, worauf bereits die Bezugnahme in § 141 Abs. 3 ZPO hinweist, in der selben Rolle wie der nicht erschienene Zeuge, dem der Ordnungsmittelbeschluss ebenfalls persönlich zuzustellen ist (Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 380 Rz. 8).
Da eine Zustellung an den Beschwerdeführer nicht erfolgt ist, hat die Frist für die Einlegung des Rechtsmittels zu keinem Zeitpunkt zu laufen begonnen, und die sofortige Beschwerde konnte auch noch mit Schreiben vom 25.10.2006 eingelegt werden. Der vorsorglich beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es nicht.
2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die auf das Ausbleiben des Beschwerdeführers im Termin zur Güteverhandlung (§ 278 Abs. 3 Satz 1, 2 i.V.m. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO) gestützte Verhängung eines Ordnungsgeldes ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil sein Erscheinen entbehrlich geworden war.
§ 278 ZPO verfolgt den Zweck, eine einvernehmliche Bereinigung des zwischen den Parteien bestehenden Konflikts zu erreichen (Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 278, Rz. 1). Da im vorliegenden Fall für die Gegenseite niemand erschienen war, konnte eine Güteverhandlung unabhängig von der Abwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten - und ungeachtet einer möglichen Ermächtigung ihres Prozessbevollmächtigten - nicht stattfinden. Ein gleichwohl gegen ihn verhängtes Ordnungsgeld hätte ausschließlich Strafcharakter. Dies ist jedoch nicht der maßgebliche Grund für die in § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO vorgesehene Sanktion, auf die § 278 Abs. 3 S. 2 ZPO verweist. Ebenso, wie die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen die zur Aufklärung des Sachverhalts geladene, aber nicht erschienene Partei nur in Betracht kommt, wenn das unentschuldigte Ausbleiben die Sacha...