Verfahrensgang

AG Bonn (Entscheidung vom 11.09.2009; Aktenzeichen 408 F 145/09)

 

Tenor

1.

Der Antragsgegnerin wird wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 11.09.2009 - 408 F 145/09 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

2.

Dem Antragsteller wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht einschließlich der Passangelegenheiten sowie das Sorgerecht betreffend die Gesundheitsfürsorge übertragen. Der weitergehende Antrag des Antragstellers, ihm das alleinige Sorgerecht insgesamt zu übertragen, wird zurückgewiesen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen im Sorgerechtsverfahren findet nicht statt.

Die Gerichtskosten tragen die beteiligten Eltern jeweils zur Hälfte.

3.

Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. in C. bewilligt.

 

Gründe

1.

Der Antragsgegnerin war wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß §§ 233, 234, 621e Satz 3, 517 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Die Antragsgegnerin war nämlich ohne Verschulden verhindert, die Notfrist des § 517 ZPO zur Beschwerdeeinlegung einzuhalten. Auf vorliegendes Verfahren ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin noch altes Verfahrensrecht anwendbar. Die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und das Verfahren des Rechtsmittelgerichts richtet sich nach der bis zum 31.08.2009 geltenden Rechtslage, auch wenn die angefochtene Entscheidung erst nach Inkrafttreten des FamFG am 01.09.2009 ergangen ist. Gemäß Artikel 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz (FGG-RG) sind nämlich auf Verfahren, die vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zu diesem Zeitpunkt beantragt wurde, weiterhin die Bestimmungen des bisherigen Rechts anzuwenden. Vorliegend ist die Verfahrenseinleitung bereits am 11. Mai 2009 mit Eingang der Antragsschrift des Antragstellers bei dem Amtsgericht erfolgt. Die Anwendung des bisherigen Verfahrensrechts schließt auch die Regelungen über die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichtes und die Zulässigkeit des entsprechenden Rechtsmittels ein (vgl. BGH, 12. Zivilsenat, Beschluss vom 02.12.2009 - XII ZB 207/08 - ; OLG Köln, Beschluss vom 19.10.2009 - 2 Wx 89/09 - ). Damit hat aber die Antragsgegnerin ihre Beschwerde vom 16. Oktober 2009 gegen den ihr am 21. September 2009 zugestellten Sorgerechtsbeschluss beim unzuständigen Gericht, nämlich dem Amtsgericht - Familiengericht - Bonn eingelegt. Das zulässige Rechtsmittel ist die befristete Beschwerde nach § 621e ZPO. Dieses ist beim zuständigen Rechtsmittelgericht, also dem Oberlandesgericht, einzulegen. Eingegangen ist die Beschwerde beim Oberlandesgericht Köln auf Veranlassung des Familiengerichts aber erst am 06. November 2009 (Blatt 70 R GA) und damit verspätet, da nicht mehr innerhalb der Monatsfrist. Hierauf ist die Antragsgegnerin gemäß Verfügung des Senates vom 11.11.2009 (Blatt 72 GA) hingewiesen worden. Auf den Hinweis des Senates hat sodann die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dem Antrag war stattzugeben.

Die Fristversäumung ist nämlich unverschuldet, da aufgrund der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte in der Literatur der Irrtum der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, auf vorliegenden Sachverhalt sei neues Verfahrensrecht nach dem FamFG anwendbar, entschuldbar ist. So vertreten Prütting/Helms in ihrem Kommentar zum FamFG, Artikel 111 FGG-RG Rz. 5 die Auffassung, dass nach Artikel 111 Abs. 2 FGG-RG jedes Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 dieser Vorschrift sei. Jede Instanz sei damit als ein selbständiges gerichtliches Verfahren im Sinne der Überleitungsvorschriften zu behandeln und daher müsse auch in Verfahren, die vor dem 01.09.2009 begonnen worden seien, neues Recht dann angewandt werden, wenn das Rechtsmittel erst nach dem 01.09.2009 eingelegt worden sei. Auch wenn dieser Auffassung - wie der Bundesgerichtshof mittlerweile entschieden hat (vgl. BGH a. a. O.) - nicht gefolgt werden kann, erscheint die durch die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin verfochtene Auffassung doch noch vertretbar. Jedenfalls bis zur vorgenannten BGH-Entscheidung muss daher die Fristversäumung der vorliegenden Art als entschuldigt angesehen werden.

Da im Übrigen die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gegeben sind, war dem Antrag der Antragsgegnerin auf Wiedereinsetzung stattzugeben.

2.

Die im Übrigen zulässige befristete Beschwerde der Antragsgegnerin nach § 621e ZPO hat im Ergebnis teilweise Erfolg, nämlich soweit sie sich dagegen wehrt, dass über den Regelungsbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes einschließlich der Passangelegenheiten und der Gesundheitsfürsorge ihr umfassend das Sorgerecht entzogen worden ist. Nach Auffassung des Senates liegen Gründe für einen umfassenden Sor...

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