Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafverfahrensrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Subsumtionsfehler hindern grundsätzlich die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung nicht. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der fehlerhafte Schuldspruch zu Lasten des Angeklagten einen höheren Strafrahmen vorgibt. Das trifft auch zu, wenn die richtige Subsumtion nur möglicherweise zu einem milderen Strafrahmen geführt hätte (vollendeter Diebstahl statt - richtig - Versuch).

 

Normenkette

StPO § 318 S. 1

 

Tenor

1. Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels - aufgehoben,

  1. im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen Diebstahls im Fall 2 (Tat vom 25. Oktober 2022) verurteilt worden ist,
  2. im Einzelstrafausspruch hinsichtlich des Diebstahls im Fall 1 (Tat vom 26. - 29. August 2022) sowie
  3. im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 25. April 2023 hat das Amtsgericht Köln den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Seine hiergegen eingelegte Berufung hat der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt.

Die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Köln hat mit Urteil vom 21. November 2023 das Urteil des Amtsgerichts - unter Verwerfung der Berufung im Übrigen - im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Köln vom 23. Juni 2023 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt wird.

Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageverfügung vom 12. März 2024, eingegangen beim Oberlandesgericht am 26. März 2024, beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel des Angeklagten hat im tenorierten Umfang (vorläufig) Erfolg. Es führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO). Im Übrigen war das Rechtsmittel - insoweit in Übereinstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft - zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

1.

Die erklärte Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch war - was der Senat von Amts wegen zu überprüfen hat (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 10.11.2022 - III-1 RVs 185/22; SenE v. 29.06.2023 - III-1 ORs 66/23; SenE v. 12.09.2023 - III-1 ORs 108/23; SenE v. 12.10.2023 - III-1 ORs 116/23) - nur im Fall 1 (Diebstahl vom 26. - 29. August 2022) wirksam.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen lassen hier den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat hinreichend erkennen und bieten damit für die Strafzumessung eine ausreichend sichere Grundlage. Die Berufungsstrafkammer ist daher hier in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Schuldspruch aus dem amtsgerichtlichen Urteil - zusammen mit den ihn tragenden Feststellungen - in Rechtskraft erwachsen ist. Zutreffend hat die Kammer im Fall 1 damit lediglich noch über die Rechtsfolgen entschieden. Der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung standen auch die unzureichenden Feststellungen zum Wert des entwendeten Fahrrads (vgl. hierzu noch weiter unten, Ziff. 3) nicht entgegen. Denn dies betraf allein den Schuldumfang der Tat. Unzureichende Feststellungen zum Schuldumfang der Tat berühren grundsätzlich nur die Rechtsfolgenseite (SenE v. 26.01.2018 - III-1 RVs 3/18; SenE v. 26.01.2018 - III-1 RVs 4/18; SenE v. 24.03.2021 - III-1 RVs 27/21; SenE v. 12.03.2024 - III-1 ORs 41/24).

2.

Keinen Bestand kann das angefochtene Urteil haben, soweit der Angeklagte im Fall 2 (Tat vom 25. Oktober 2022) wegen Diebstahls verurteilt ist, ohne dass die Berufungsstrafkammer zum Schuldspruch eigene Feststellungen getroffen hat. Insoweit erweist sich das Urteil als materiell-rechtlich unvollständig.

Der erklärte Beschränkung der Berufung auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs war in diesem Fall die Wirksamkeit zu versagen.

Zwar sind vom Berufungsgericht keine eigenen Feststellungen zum Tatgeschehen zu treffen, wenn der Rechtsmittelführer seine Berufung wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkt hat. Denn die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Dispositionsbefugnis gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren (BGH NJW 2001, 3134 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, wenn die Schuldfeststellungen eine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Sind die Feststellungen hingegen derart knapp und unvollständig, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und bilden sie damit keine hinreichende ...

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