OLG: Kein Strafklageverbrauch durch rechtskräftiges Bußgeldurteil

Ein Bußgeldurteil wegen Überschreitens des Termins zur Fahrzeughauptuntersuchung steht einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis trotz punktueller Gleichzeitigkeit der Verfehlungen nicht entgegen.

Das OLG Zweibrücken hat sich mit der Frage befasst, wie weit der Strafklageverbrauch nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit reicht.

Fahren ohne Fahrerlaubnis und Termin zur Hauptuntersuchung überschritten

In dem entschiedenen Fall wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle im Dezember 2022 festgestellt, dass der Angeklagte nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war. Darüber hinaus stellten die kontrollierenden Beamten fest, dass die Frist zur Durchführung der Hauptuntersuchung für das Fahrzeug des Fahrers um ca. 10 Monate überschritten war.

Ordnungswidrigkeitenverfahren durch rechtskräftiges Urteil beendet

Die getroffenen Feststellungen führten sowohl zu einem Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis als auch zu einem Bußgeldverfahren wegen Überschreitens der Hauptuntersuchung. Nachdem das Bußgeldverfahren durch gerichtliche Verurteilung zur Zahlung einer Geldbuße von 60 EUR rechtskräftig abgeschlossen worden war, stellte das AG das anhängige Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch Urteil ein. Zur Begründung verwies das AG auf den Rechtsgrundsatz, dass nach dem in Art. 103 Abs. 3 GG verankerten Rechtsgrundsatz „ne bis in idem“ niemand wegen derselben Tat mehrfach verurteilt werden dürfe. Durch die Verurteilung im Bußgeldverfahren sei hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis Strafklageverbrauch eingetreten, da beide Tatvorwürfe denselben Lebenssachverhalt beträfen.

Ordnungswidrigkeit beruhte auf eigenständigem Tatentschluss

Dies sah das OLG in dem von der StA angestrengten Revisionsverfahren anders. Beide Verfahren beträfen keineswegs denselben Lebenssachverhalt, so der Senat. Die Ordnungswidrigkeit der Überschreitung des Hauptuntersuchungstermins beruhe auf dem Entschluss des Fahrzeughalters, der Pflicht zur Vorführung des Fahrzeugs zur Hauptuntersuchung nicht nachzukommen. Diesen Entschluss habe er bereits im März 2022 gefasst, nachdem die Frist zur Vorführung des Fahrzeugs Ende Februar 2022 abgelaufen sei.

Fahren ohne Fahrerlaubnis als sachlich eigenständiges Geschehen

Davon zu unterscheiden sei der Entschluss des Angeklagten, das Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen, obwohl er nicht im Besitz der dafür erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen sei. Diesen Entschluss habe er im Dezember 2022 gefasst, als er sich auf den Fahrersitz seines Fahrzeugs setzte und losfuhr. Trotz der zeitlichen Kontinuität der Ordnungswidrigkeit des Überziehens der fälligen Hauptuntersuchung sei der Entschluss zum Fahren ohne Fahrerlaubnis als sachlich selbständiges Geschehen zu bewerten.

Unterschiedliche Anknüpfungspunkte von Ordnungswidrigkeit und Straftatbestand

Für dieses Ergebnis spricht nach Auffassung des OLG auch der Umstand, dass der Anknüpfungspunkt der verwirklichten Ordnungswidrigkeit und des verwirklichten Straftatbestandes unterschiedlich seien. Die Ordnungswidrigkeit des Überschreitens des fälligen Hauptuntersuchungstermins knüpfe an die Haltereigenschaft an, während für das Fahren ohne Fahrerlaubnis das Führen eines Kraftfahrzeugs der entscheidende Anknüpfungstatbestand sei. Die bloß punktuelle Gleichzeitigkeit beider Vergehen ändere nichts daran, dass beide Handlungen keine innere Verknüpfung aufwiesen und daher getrennt zu beurteilen seien.

Ergebnis: Kein Strafklageverbrauch

Im Ergebnis war damit mangels einer inneren Beziehung der beiden Verfehlungen nach Auffassung des OLG kein Strafklageverbrauch eingetreten, weshalb die Einstellung des Strafverfahrens zu Unrecht erfolgt sei. Das OLG hob daher die erstinstanzliche Entscheidung auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das AG zurück.

(OLG Zweibrücken, Urteil v. 29.1.2024, 1 ORs 1 SRs 16/23)

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