Rz. 167
Niemand darf wegen der gleichen Tat mehrfach bestraft werden. Dies bedeutet, dass ein Verfahrenshindernis besteht, wenn die Tat bereits rechtskräftig abgeurteilt wurde. Maßgebend ist insofern der prozessuale (verfahrensrechtliche) Tatbegriff i.S.d. § 264 StPO. Zu einer Tat im prozessualen Sinne gehören der einheitliche geschichtliche Vorgang und die Handlungen, die hiermit innerlich so verknüpft sind, dass ihre getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde.
Rz. 168
Nach einer rechtskräftigen behördlichen Bußgeldentscheidung besteht ein Verfahrenshindernis für eine erneute Verfolgung der Tat als Ordnungswidrigkeit (§ 84 Abs. 1 OWiG). Dies gilt erst recht nach einer gerichtlichen Entscheidung über die Tat als Straftat oder Ordnungswidrigkeit (§ 84 Abs. 1 OWiG). Auch der gerichtliche Einstellungsbeschluss gem. § 153 Abs. 2 StPO (die Ausnahme, dass ein Verbrechen vorliegt, hat im Steuerstrafrecht nach aktueller Rechtslage keine Relevanz) oder § 153a Abs. 2 StPO (dieses Ergebnis ergibt sich mittelbar auch aus § 21 Abs. 2 OWiG) ist eine solche Entscheidung.
Rz. 169
Entsprechend verbraucht auch der rechtskräftige gerichtliche Einstellungsbeschluss im Bußgeldverfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG die Strafklage (§ 84 Abs. 2 OWiG; dies gilt allerdings nicht, wenn der Einspruch gegen den behördlichen Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen beschränkt war, da dann keine gerichtliche Entscheidung über die Schuld vorliegt). Erst recht ist dann eine Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit ausgeschlossen. Stellt das Gericht ein Bußgeldverfahren gem. § 47 Abs. 2 OWiG ein, obwohl bei der verfahrensgegenständlichen Tat auch ein Straftatbestand verwirklicht wurde, steht der StA bis zur Rechtskraft trotz § 47 Abs. 2 Satz 3 OWiG das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss zu. Dies gilt solange bis auch gegenüber der StA die Rechtskraft eingetreten ist (da die StA oft nicht an der Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren teilnimmt, tritt die Rechtskraft ihr gegenüber in der Praxis oft erst später ein – Beginn der Rechtsmittelfrist mit Bekanntgabe des Urteils). Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen in diesen Fällen der Strafklageverbrauch ausnahmsweise nicht eintreten soll. Nach einer Ansicht soll dies der Fall sein, wenn neue Tatsachen den Verdacht eines Verbrechens begründen. Da im Steuerstrafrecht aktuell kein Verbrechenstatbestand geregelt ist, kommt diese Ansicht insoweit nicht zu einer Ausnahme vom Strafklageverbrauch.
Rz. 170
Die Einstellung eines Bußgeldverfahrens durch die Behörde gem. § 47 Abs. 1 OWiG führt zu keinem Verfahrenshindernis. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es ohne Zustimmung des Gerichts einstellen.
Wird ein Strafverfahren gem. § 153a StPO durch die Behörde eingestellt, so führt dies bei Leistung der Auflage zu dem in § 153a StPO vorgesehenen Strafklageverbrauch. Die Auflage ist nach zutreffender Ansicht eine Strafe i.S.d. § 21 Abs. 2 OWiG, so dass auch ein Hindernis für eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit besteht.
Rz. 171
Nach einer strafrechtlichen Verurteilung scheidet ein Bußgeldverfahren wegen derselben Tat aus (vgl. § 21 Abs. 2 OWiG). Auch ein Freispruch ist eine gerichtliche Sachentscheidung, die zu einer Verfolgungssperre hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit führt. Die Gegenansicht kann nicht überzeugen: Wenn schon keine Verfolgung als Straftat möglich ist, so muss dies im "Erst-Recht-Schluss" auch für die Ordnungswidrigkeit gelten.