Leitsatz (amtlich)

Im Beschwerdeverfahren gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel durch den Vorsitzenden der Zivilkammer nach den Vorschriften der EuGVVO bzw. des EuGVÜ entscheidet der Senat des OLG durch drei Richter, nicht der originäre Einzelrichter.

 

Normenkette

ZPO § 568 S. 1

 

Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung aus dem vor dem Friedensrichter zu Maaseik/Belgien am 29.11.1995 geschlossenen Vergleich wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Zur Entscheidung berufenes Beschwerdegericht ist am zuständigen OLG der Senat, nicht der originäre Einzelrichter. Die Vorschrift des § 568 S. 1 ZPO in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung (Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001, BGBl. I S. 1887), die auch im Beschwerdeverfahren den originären Einzelrichter vorsieht und im vorliegenden Fall nach § 26 Nr. 10 EGZPO bereits anzuwenden wäre, gilt nicht für Beschwerden im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Artt. 36ff EuGVÜ in der Fassung vom 29.11.1996 i.V.m. §§ 3ff, 11ff des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) vom 19.2.201. Die EuGVVO vom 22.12.2000, die nunmehr die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen regelt, kommt in Anbetracht ihrer Übergangsvorschriften (Art. 66 I, II EuGVVO) hier noch nicht zur Anwendung.

Das Zivilprozess-Reformgesetz vom 27.7.2001 hat mit § 568 ZPO den „originären Einzelrichter”, der für das erstinstanzliche Verfahren vor dem LG vorgesehen ist (vgl. § 348 ZPO), in das Beschwerdeverfahren, in dem es bisher einen Einzelrichter nicht gab, übernommen. Diese Regelung gilt für das Beschwerdeverfahren vor dem LG wie dem OLG in gleicher Weise (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 568, Rz. 1). Die originäre Einzelrichterzuständigkeit im Beschwerdeverfahren setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung von einem Rechtspfleger oder einem „Einzelrichter” i.S.d. § 568 S. 1 ZPO erlassen wurde.

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da der Vorsitzende der Zivilkammer, der nach Art. 32 Abs. 1 EuGVÜ, § 3 Abs. 3 AVAG über die Vollstreckbarkeit zu entscheiden hat, nach Ansicht des Senats nicht der in § 568 S. 1 ZPO genannte Einzelrichter ist. Dieses Ergebnis ist zwar nicht unumstritten (wie hier: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 568 Rz. 2; a.A. Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl., § 568, Rz. 1, AVAG, § 13 Rz. 1: Entscheidung durch Einzelrichter). Dafür sprechen aus der Sicht des Senats jedoch durchgreifende Überlegungen.

Einzelrichter i.S.d. genannten Vorschrift sind neben dem Amtsrichter zum einen der originäre Einzelrichter gem. § 348 ZPO, zum anderen der obligatorische Einzelrichter i.S.d. § 348a ZPO und der Vorsitzende der KfH, § 349 ZPO (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 568 Rz. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 568 Rz. 2). Der Vorsitzende der Zivilkammer, der nach den Regelungen des EuGVÜ bzw. der seit dem 1.3.2002 geltenden EuGVVO (dort Anhang II i.V.m. Art 39 Abs. 1) zur Entscheidung berufen ist, kann nicht als „Einzelrichter” im obigen Sinne verstanden werden. Er ist nicht originärer Einzelrichter i.S.d. § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO, da die zu entscheidende Frage zu den Sachgebieten des § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO gehört. Die Entscheidungen über die Vollstreckbarkeitserklärung sind nämlich dem LG ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesene Streitigkeiten, § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchstabe k ZPO. Das AVAG weist die Vollstreckbarerklärung unabhängig vom Streitwert ausschließlich dem LG zu; für die alte Fassung des AVAG folgt dies aus § 2 Abs. 1, die Neufassung sieht dies in § 3 Abs. 1 vor. Die Begründung zum Regierungsentwurf des ZPO-Reformgesetzes benennt im Zusammenhang mit den Sondersachgebieten des § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchstaben ak ZPO ausdrücklich bei den dem Buchstaben k unterfallenden Sachgebieten die Regelung des – bis 28.2.2001 geltenden – § 2 Abs. 1 AVAG (BT-Drucks. 14/4722, 89). Damit hat der Gesetzgeber das Sachgebiet der Entscheidungen zur Vollstreckbarkeit nicht in der Zuständigkeit des originären Einzelrichters belassen, sondern der Sonderzuständigkeit der Zivilkammer zugeordnet. Deren Vorsitzender ist geschäftsplanmäßig für diese Entscheidungen zuständig.

Der Vorsitzende ist auch nicht obligatorischer Einzelrichter i.S.d. § 348a Abs. 1 ZPO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Zivilkammer hat ihm den Rechtsstreit nicht übertragen. Vielmehr ist der Vorsitzende bereits aufgrund der Regelungen des Art. 32 EuGVÜ bzw. Art. 39 EuGVVO i.V.m. Anhang I, § 3 Abs. 3 AVAG allein zuständig. Eine Vorlage des Rechtsstreits an die Kammer mit dem Ziel einer Rückübertragung scheidet ebenfalls aus diesem Grund aus, 348a Abs. 2 ZPO.

Schließlich kommt auch eine direkte oder entsprechende Anwendung des § 349 ZPO nicht in Betracht. Gegen eine entsprechende Anwendung spricht, dass in Handelssachen sowohl die Kammer als auch der Vorsitzende entscheiden kann, § 349 Abs. 3 ZPO; die Entscheidungsbefugnisse des Vorsitzenden der KfH sind zunächst auf die...

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