Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 08.05.2015; Aktenzeichen 3 O 368/14)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bonn vom 8.5.2015 (3 O 368/14) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Berufung der Kläger ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint, ist eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt.

Der mit der Klage verlangte Anspruch auf Rückzahlung besteht nicht. Das LG hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil die Kläger infolge Verwirkung nicht mehr berechtigt waren, ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge im Jahre 2008 gerichteten Vertragserklärungen zu widerrufen. Der Senat hat in diesem Sinne bei einem vergleichbaren Sachverhalt (Zeitspanne zwischen vollständiger Erfüllung der Vertragspflichten und Widerruf etwa fünf Jahre) bereits früher entschieden (Urteil vom 25.1.2012, 13 U 30/11). Daran hält er auch unter Berücksichtigung der von den Klägern erhobenen Einwendungen fest. Danach gilt für die vorliegende Streitsache:

1. Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, § 242 BGB Rdn. 87 ff). Die erforderliche Zeitdauer, die seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts verstrichen sein muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt, a.a.O., Rdn. 93). Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahekommt, mindert die erforderliche Zeitdauer (BGH WM 1979, 644). Die Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten wird wesentlich bestimmt durch den Umfang seiner Vertrauenssituation und seinen Informationsstand (BGHZ 21, 83).

2. Nach diesen Vorgaben sieht der Senat das Zeitmoment in Anbetracht der Tatsache, dass die Kläger, nachdem ihnen die Widerrufsbelehrung im Oktober 2008 vorlag, knapp 6 Jahre haben verstreichen lassen, bevor sie den Widerruf erklärt haben, als erfüllt an. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang - worauf das LG zutreffend hingewiesen hat - nicht darauf an, ob sie von dem trotz Fristablaufs fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis hatten (Senat, Urteil vom 25.1.2012; 13 U 30/11; Palandt a.a.O. Rdn. 94). Das ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn es - wie hier - nicht um eine (vollständig) fehlende, sondern nur um eine formal missverständliche und allein deshalb nicht ordnungsgemäße Widerrufsfrist geht (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 25.10.2000 - 9 U 59/00, Juris, Rz. 30).

3. Angesichts der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag ist der Senat - mit dem LG - der Auffassung, dass auch das sog. Umstandsmoment erfüllt ist. Die Beklagte musste nach der bereits im Jahre 2009 erfolgten, vollständigen Rückzahlung der Darlehensvaluta im August 2014 nicht mehr mit einem Widerruf der vertraglichen Erklärungen rechnen, sondern durfte auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen.

Dem steht nicht entgegen, dass § 355 Abs. 3 S. 3 BGB (jetzt: § 355 Abs. 4 S. 3 BGB) dem Verbraucher im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumt. Dies bedeutet lediglich, dass das Widerrufsrecht des nicht ordnungsgemäß belehrten Verbrauchers keiner gesetzlichen Ausübungs- oder Ausschlussfrist (§ 355 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 BGB) unterliegt, nicht aber, dass es ungeachtet der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gleichsam unbegrenzt ausgeübt werden könnte. Insoweit gelten für ein unbefristetes Widerrufsrecht prinzipiell die gleichen Beschränkungen wie für andere, nicht an die Einhaltung bestimmter Fristen gebundene Gestaltungsrechte.

Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil den Klägern die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und das daraus folgende - grundsätzliche - Fortbestehen seiner Widerrufsrechts bis zur vollständigen Erfüllung seiner Vertragspflichten im Jahre 2005 nicht bekannt war und jedenfalls bis zur Veröffentlichung des BGH-Urteils vom 10.3.2009 (XI ZR 33/08) auch nicht bekannt sein konnte. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 2529, 2530) lässt das Verhalten eines...

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