Leitsatz (amtlich)
Entscheidet ein Gericht irrtümlich einen Streit auf Grund einer unzutreffenden Verfahrensordnung (hier: im Hausratsverfahren statt im streitigen Zivilprozess), so können die Betroffenen diese Entscheidung sowohl mit dem nach dieser unzutreffenden Verfahrensordnung geltenden Rechtsmittel (hier: der sofortigen Beschwerde) als auch mit dem Rechtsmittel, das nach der zutreffenden Verfahrensordnung gegeben wäre (hier: der Berufung), anfechten. Das Rechtsmittelgericht kann das Verfahren dann entweder selbst in das richtige Verfahren überleiten und in diesem Verfahren entscheiden oder innerhalb der unzutreffenden Verfahrensordnung die angefochtene Entscheidung aufheben und dem erstinstanzlichen Gericht die Überleitung in das richtige Verfahren übertragen.
Normenkette
GVG § 17a
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 4 O 417/01) |
Tenor
Auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Köln vom 20.11.2002 – 4 O 417/01 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das LG zurückverwiesen.
Gründe
Der Rechtsbehelf des Antragsgegners ist als befristete Beschwerde statthaft und als solche form- und fristgerecht eingelegt.
Nachdem durch Beschluss des OLG vom 17.6.2002 – 21 WF 119/02 – das LG als das für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständige Gericht bestimmt worden ist, hätte das LG als allgemeines Zivilgericht richtigerweise im streitigen Verfahren durch Urteil entscheiden müssen; denn nur insoweit besteht seine Verfahrenszuständigkeit. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung war es dem Antragsgegner aber unbenommen, die formell inkorrekte Entscheidung des LG entweder mit dem für das Verfahren korrekten Rechtsmittel der Berufung oder aber – wie geschehen – mit dem Rechtsmittel anzugreifen, welches nach der Art der tatsächlich gefällten Entscheidung statthaft ist. Denn die durch eine inkorrekte Entscheidung beschwerte Partei darf durch ein unrichtiges Verfahren des Gerichts keine Nachteile in ihren prozessualen Rechten erleiden (vgl. BGH NJW-RR 1993, 956 [957] m.w.N.).
In der Sache hat das Rechtsmittel des Antragsgegners insoweit vorläufigen Erfolg, als die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das LG zurückzuverweisen ist, das den Rechtsstreit in das streitige Verfahren überzuleiten und neu zu verhandeln und zu entscheiden hat. Der Senat sieht im konkreten Fall davon ab, das Verfahren selbst in die Bahn zu lenken, in die es bei richtiger Entscheidung der Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel der Berufung gelangt wäre, weil die Sache höchst streitig und nicht entscheidungsreif ist.
Auch nach Auffassung des Senats kommen vorliegend die materiellen Vorschriften der Hausratsverordnung zur Anwendung, weil eine erschöpfende Einigung der Parteien über den zu verteilenden Hausrat nicht vorgetragen ist (§ 1 Abs. 1 HausratsVO). Allerdings durfte das LG ohne Erörterung des Streitverhältnisses in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und ohne entspr. rechtlichen Hinweis, der im streitigen Verfahren nach § 139 ZPO zu erteilen gewesen wäre, die von der Antragstellerin ihrem Anspruch auf Ausgleichszahlung zugrunde gelegten Werte der Hausratsgegenstände nicht als unstreitig ansehen. Dem Protokoll vom 30.10.2002 kann nicht entnommen werden, dass seitens des Gerichts auf den entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Höhe der begehrten Ausgleichszahlung hingewiesen worden ist. Auch das Protokoll vom 17.4.2002 lässt einen entspr. Hinweis nicht erkennen. Ein solcher Hinweis war insb. auch im Hinblick darauf erforderlich, dass das LG dem Antragsgegner mit Verfügung vom 29.10.2001 lediglich zur Stellungnahme zu den Anträgen zu Ziff. 1 und 3 aufgefordert hat. Es hätte deshalb nachgefragt weden müssen, ob die von der Antragstellerin vorgetragenen Werte des Hausrats unbestritten bleiben sollen. Desweiteren ist nicht ersichtlich, dass die Parteien bereits vorprozessual über eine Ausgleichszahlung des Antragsgegners einig waren. Die außergerichtliche Teilauseinandersetzung könnte deshalb an einem Einigungsmangel leiden, weil noch nicht über alle zu regelnden Punkte Einigkeit erzielt worden ist (§ 154 BGB). Zudem hat der Antragsgegner in erster Instanz mit Schriftsatz vom 27.11.2001 bestritten, dass er sich vorprozessual mit der Antragstellerin über die Verteilung der in seinem Besitz verbliebenen Hausratsgegenstände verständigt habe.
Das AG dürfte deshalb in dem neuen Verfahren nicht nur die Höhe einer etwaigen Ausgleichszahlung sondern auch zu klären haben, welchen Inhalt die außergerichtliche Vereinbarung der Parteien über den Hausrat hat.
Beschwerdewert: 3.418 Euro (150 Euro + 3.268,43 Euro)
Dr. Schuschke Manteufel Appel-Hamm
Fundstellen
Haufe-Index 1107408 |
OLGR Köln 2003, 193 |
Mitt. 2004, 137 |