Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Untätigkeitsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Untätigkeitsbeschwerde ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit als statthaft anzusehen, wenn eine über das Normalmaß hinausgehende, den Parteien unzumutbare Verzögerung dargetan wird und die Untätigkeit des Gerichts sich bei objektiver Betrachtung als Verweigerung des Rechtsschutzes darstellt (im Anschluss an überwiegende Meinung der Obergerichte).

Wendet sich ein in einem Abschiebungsverfahren Inhaftierter mit seiner rechtzeitig eingelegten Erstbeschwerde gegen die für drei Monate angeordnete Abschiebungshaft und erlässt das Beschwerdegericht erst über vier Monate später eine Entscheidung, nachdem die Befristung der Haft abgelaufen und der Betroffene in sein Heimatland abgeschoben worden ist, so stellt sich die mehrere Monate andauernde Untätigkeit der Zivilkammer als Verweigerung des Rechtsschutzes dar und begründet die Statthaftigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde.

 

Normenkette

FGG § 19

 

Tenor

Die Untätigkeitsbeschwerde des Betroffenen vom 12.12.2006 wird als unzulässig verworfen.

Das Beschwerdeverfahren zur Untätigkeitsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Seine außergerichtlichen Kosten, die im Verfahren zur Untätigkeitsbeschwerde entstanden sind, trägt der Betroffene selbst.

 

Gründe

I. Gegen den Betroffenen, der seit März 2005 vollziehbar ausreisepflichtig ist, verhängte das AG mit Beschluss vom 27.7.2006 Abschiebehaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG bis längstens 26.10.2006. Gegen diese Entscheidung wendete sich der Betroffene mit sofortiger Beschwerde vom 7.8.2006. Der Antragsteller hat zu dem Beschwerdevorbringen am 16.8.2006 Stellung genommen. Nach einer beim LG eingereichten - erfolglosen - Sachstandsanfrage vom 20.9.2006 verbunden mit der Bitte um umgehende Entscheidung hat der Betroffene durch seinen Verfahrensbevollmächtigten eine am 15.12.2006 eingegangene Untätigkeitsbeschwerde vom 12.12.2006 beim LG und zugleich beim OLG eingelegt. Der Betroffene war bereits am 23.10.2006 mit dem Ziel der Abschiebung aus der Haft entlassen worden. Mit Beschluss vom 15.12.2006 hat das LG die sofortige Beschwerde vom 7.8.2006 als in der Sache unbegründet zurückgewiesen.

Auf Hinweis des Senats, dass sich die Untätigkeitsbeschwerde durch die Entscheidung vom 15.12.2006 erledigt habe, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 3.1.2007 die Hauptsache für erledigt erklärt, "soweit dem LG bzw. der Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen der offensichtlichen Untätigkeit" auferlegt werden. Der Vorsitzende des Senats hat auf Bedenken gegen diesen Antrag aufmerksam gemacht.

II. Die Untätigkeitsbeschwerde ist unzulässig, da inzwischen das LG über die Erstbeschwerde entschieden hat und somit nicht mehr untätig geblieben ist.

Der Betroffene hat keine wirksame Erledigungserklärung abgegeben, weil die von ihm erstrebte Kostenauferlegung nicht erfolgen kann, so dass die Bedingung, unter der der Antrag steht, nicht eingetreten ist. Auf die Frage, ob die Verknüpfung des Antrags mit einer erstrebten Kostenregelung schon grundsätzlich der Wirksamkeit entgegen steht, kommt es deshalb nicht mehr an.

1.a) Die Untätigkeitsbeschwerde vom 12.12.2006 war zunächst zulässig.

Zur Frage der Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde schließt sich der Senat der inzwischen auch von anderen Obergerichten vertretenen Meinung an, dass eine - gesetzlich nicht vorgesehene - Untätigkeitsbeschwerde dann als statthaft zu behandeln ist, wenn eine über das Normalmaß hinausgehende, den Parteien unzumutbare Verzögerung dargetan wird und die Untätigkeit des Gerichts sich bei objektiver Betrachtung als Verweigerung des Rechtsschutzes darstellt (vgl. OLG Zweibrücken v. 10.9.2002 - 4 W 65/02, OLGReport Zweibrücken 2003, 102 = NJW-RR 2003, 1653; OLG Bamberg v. 20.2.2003 - 7 WF 35/03, FamRZ 2003, 1310; OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom 11.10.2005 und vom 1.11.2005, beide OLGReport Naumburg 2006, 408; ebenso Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 565 Rz. 21 für das Verfahren nach der ZPO; anders noch OLG Stuttgart vom 20.1.1998, OLG Stuttgart v. 20.1.1998 - 8 W 4/98, 8 W 5/98, OLGReport Stuttgart 1998, 193 = FamRZ 1998, 1128).

Die Voraussetzungen für eine Statthaftigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde waren hier gegeben. Die Untätigkeit der Zivilkammer stellt sich in Anbetracht der Umstände des Falles als Verweigerung des Rechtsschutzes dar. Der seit dem 27.7.2006 inhaftierte Betroffene hat sich mit der rechtzeitig eingelegten Erstbeschwerde vom 7.8.2006 gegen die bis zum 26.10.2006 befristete Abschiebungshaft gewandt. Darüber wurde während eines Zeitraumes von vier Monaten keine Entscheidung getroffen. Eine solche Verzögerung stellt sich für den inhaftierten Betroffenen als nicht mehr zumutbar dar. Dies gilt schon unabhängig davon, dass seine Abschiebung für Oktober vorgesehen war, also zwei Monate nach Rechtsmitteleinlegung anstand.

b) Die Untätigkeitsbeschwerde wäre auch begründet gewesen. Durch die überlange Verfahrensdauer wurde der Bet...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge