Leitsatz (amtlich)
Wenn gegen die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft eine Anfechtungsklage- oder Nichtigkeitsklage erhoben wird, hat die Gesellschaft nicht die Möglichkeit, zur Vermeidung der mit der Rückwirkung einer stattgebenden Entscheidung verbundenen Risiken die gewählten Aufsichtsratsmitglieder durch das Registergericht analog § 104 Abs. 2 AktG bestellen zu lassen. Eine derartige Ausweitung der Bestellungsmöglichkeiten ist dem Gesetzgeber vorbehalten.
Normenkette
AktG § 104 Abs. 2, §§ 246a, 250-251; FGG §§ 27, 29, 146 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 09.01.2007; Aktenzeichen 11 T 6/06) |
AG Bonn (Aktenzeichen 19 HR B 4148) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 25.1.2007 gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Bonn vom 9.1.2007 - 11 T 6/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde einschließlich der dem Beteiligten zu 1) in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) ist Aktionär der Beteiligten zu 2). In der Hauptversammlung der Beteiligten zu 2) vom 30.5.2006 wurden die Herren Dr. F, Ma und Me zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Gesellschaft gewählt. Gegen diese Wahl wurde Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 14 O 102/06 bei dem LG anhängig und derzeit noch nicht beschieden ist. Die Beteiligte zu 2) beantragte durch Schriftsatz vom 11.8.2006 bei dem Registergericht, die gewählten Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrates der Gesellschaft zu bestellen, und zwar bis zur Entscheidung über die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, hilfsweise bis zur Beendigung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft. Zur Begründung verwies die Beteiligte zu 2) auf die negativen Folgen für die zwischenzeitlichen Handlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrates, die bei der Stattgabe der Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage und der hiermit verbundenen Rückwirkung eintreten würden.
Durch Beschluss vom 16.8.2006 hat das AG die genannten drei Personen unter Hinweis auf § 104 Abs. 2 S. 2 AktG zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Gesellschaft bestellt und zwar "mit Wirkung von heute und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vor dem LG Bonn zum Aktenzeichen 14 O 102/06 anhängige Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, höchstens jedoch bis zur Beendigung der Hauptversammlung der Gesellschaft, die über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder für das Geschäftsjahr 2009 (in Bezug auf Herrn F) und für das Geschäftsjahr 2010 (in Bezug auf die Herren Ma und Me) beschließt."
Auf die hiergegen von dem Beteiligten zu 1) eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und den Antrag der Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Ergänzung ihres Aufsichtsrats zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LG darauf verwiesen, dass die Vorschrift des § 104 Abs. 2 S. 2 AktG weder direkt noch analog anwendbar sei. Bestelle das Gericht die in der Hauptversammlung gewählten Personen, laufe dies auf eine Einwirkung des Registergerichts auf den Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsrechtsstreit hinaus, indem dessen potentielle Rechtsfolge der rückwirkenden Nichtigkeit der Wahl in den Aufsichtsrat faktisch vermieden werde.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer weiteren Beschwerde vom 25.1.2007. Das LG habe zu Unrecht die Anwendbarkeit von § 104 Abs. 2 AktG verneint.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. den §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2, 146 Abs. 2 S. 1 FGG, 104 Abs. 2 S. 4 AktG statthaft sowie form- und fristgerecht (§§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG i.V.m. § 104 Abs. 2 S. 4 AktG) eingelegt. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 546 ZPO).
1. Da die Beteiligte zu 2) derzeit über einen von der Hauptversammlung bestimmten Aufsichtsrat verfügt, käme die von ihr begehrte Bestellung eines Aufsichtsrates durch das Gericht gem. § 104 Abs. 2 AktG nur in Betracht, wenn diese Vorschrift analog auch in den Fällen anzuwenden wäre, in denen gegen die Wahl eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder eine Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage erhoben worden ist und deshalb die Gefahr besteht, dass bei einer Stattgabe einer solchen Klage die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder rückwirkend als nichtig anzusehen wäre (vgl. zur Rückwirkung einer Anfechtungsklage nur Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 252 Rz. 8 m.w.N.). Das LG hat in dem angegriffenen Beschluss aber rechtsfehlerfrei dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine derartige Analogie nicht vorliegen.
a) Eine Analogie setzt nach gesicherter Rechtsauffassung voraus, dass das Gesetz eine planungswidrige Regelungslücke enthält und der zur beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer ...