Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittelgericht bei Beteiligung eines ausländischen Gläubigers

 

Leitsatz (amtlich)

Das OLG ist für Beschwerden gegen Entscheidungen des AG als Insolvenzgericht auch dann nicht zuständig, wenn ein Gläubiger mit Sitz im Ausland beteiligt ist.

Sachlich zuständig zur Entscheidung über die Beschwerde ist auch in diesen Fällen das LG.

 

Normenkette

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 22.03.2007; Aktenzeichen 95 N 94/02)

 

Tenor

Die an das OLG gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des AG Bonn vom 22.3.2007 - 95 N 94/02 - wird als unzulässig verworfen.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Über das Vermögen des Schuldners ist mit Beschluss des AG Bonn das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Gegen den Antrag des Schuldners, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen, wendet sich die in Frankreich ansässige Gläubigerin. Das AG hat durch den angegriffenen Beschluss vom 22.3.2007 dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt, den Insolvenzverwalter zum Treuhänder bestellt und den Versagungsantrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Die Gläubigerin hat diese Entscheidung fristgerecht angefochten und wendet ein, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 vorliege, wozu sie im Einzelnen vorträgt. Wegen ihres ausländischen Firmensitzes hat sie ihr Rechtsmittel im Hinblick auf § 119 Abs. Nr. 1b GVG vorsorglich sowohl beim LG wie beim OLG eingelegt. Das LG hat daraufhin die Beschwerde an das OLG abgegeben.

Die innerhalb des Senats zuständige Einzelrichterin hat die Sache dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Zuständigkeitsfrage gem. § 568 ZPO übertragen.

II. Das grundsätzlich statthafte Rechtsmittel (§§ 6, 289 InsO) ist unzulässig, da das OLG für die (sofortige) Beschwerden gegen Entscheidungen des AG als Insolvenzgericht sachlich nicht zuständig ist. Die Ausnahmeregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG findet auch bei Beteiligung eines ausländischen Gläubigers keine Anwendung in einem Verfahren nach der Insolvenzordnung. Vielmehr bleibt es bei der sachlichen Zuständigkeit des LG als Beschwerdegericht, § 72 GVG.

Die von der Gläubigerin angesprochene mögliche Zuständigkeit des OLG nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG für Insolvenzverfahren erscheint bereits aufgrund des Wortlauts der Vorschrift problematisch, der auf "Streitigkeiten über Ansprüche" abstellt, während Inhalt des Insolvenzverfahrens die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung durch eine möglichst gerechte Verteilung des aus dem Schuldnervermögen herrührenden Erlöses ist, § 1 InsO. Für dieses Verfahren ist, soweit ersichtlich, bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine Beschwerdezuständigkeit des OLG wegen Beteiligung einer ausländischen Partei in Erwägung gezogen worden (z.B. Kübler u.a., InsO, Stand März 2007, § 6 Rz. 22a: "Beschwerdegericht ist immer das LG ..."; ebenso Kirchhof in HK-InsO, 4. Aufl., § 6 Rz. 23).

Vielmehr ist in Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die aktuellen Gesetzesvorhaben eine einschränkende Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG geboten. Soweit für Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz und Verfahren in der Zwangsvollstreckung die Anwendung dieser Vorschrift umstritten war, ist inzwischen durch die Neufassung des WEG (vgl. Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.3.2007, BGBl. 2007, S. 370) sowie die Entscheidung des BGH vom 25.10.2006 (-VII ZB 24/06, Grundeigentum 2007, 48) eine Klärung in der Weise erfolgt, dass die Zuständigkeitsregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG nicht bei Beschwerden in Wohnungseigentumssachen zur Anwendung kommt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 26.3.2007 zur Neufassung des § 72 Abs. 2 GVG) und ebenfalls nicht greifen soll, wenn das AG als Zwangsvollstreckungsgericht entschieden hat (so BGH v. 25.10.2006, a.a.O.). In diesem Sinne hatte der BGH bereits früher eine Sonderzuständigkeit des OLG für Zwangsversteigerungen mit Auslandbezug verneint (BGH v. 19.3.2004, BGH v. 19.3.2004 - IXa ZB 23/03, BGHReport 2004, 1114). Für die Zukunft sieht der Entwurf der Bundesregierung zur Reform des FGG (FGG-ReformG), der am 9.5.2007 vom Kabinett verabschiedet wurde, eine Neufassung des § 119 GVG vor, der die Sonderzuständigkeit für Verfahren mit Auslandsbezug vollständig fallen lässt (Pressemitteilung des Bundesminsteriums für Justiz vom 9.5.2007 und das FGG-ReformG).

Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, die Zuständigkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG auf Beschwerden im Insolvenzverfahren auszudehnen. Auch die ursprünglich der Einführung dieser Vorschrift zugrunde liegende Absicht des Gesetzgebers, dass bei den unter § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG erfassten Fallkonstellationen regelmäßig Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden sind, verlangt im Insolvenzverfahren keine Sonderzuständigkeit. Ähnlich wie im Vollstreckungsverfahren hat das AG in einem von ihm eröffneten Insolvenzverfahren ausschließlich deutsches Recht anzuwenden. § 335 InsO besti...

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