Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Auslegung der Satzung einer Stiftung kommt dem im Stiftungsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Stifterwillen maßgebende Bedeutung zu (Anschluss an BGHZ 99, 344). Maßstab ist der Stifterwille nur, soweit er Gegenstand des Anerkennungsverfahrens gewesen ist (Anschluss an BGH, NJW 1957, 708). Dies schützt die Stiftung davor, dass der Stifter seine Meinung nach Belieben ändert.

2. Es kann eine satzungswidrige Umgehung der in einer Stiftungssatzung vorgesehenen Höchstdauer der für den Vorstand vorgesehenen Amtsperiode vorliegen, wenn die Vorstandsmitglieder durch zeitlich nahezu zusammenfallende Bestellungsakte für zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Amtsperioden bestellt werden (keine satzungswidrige "Vorrats- oder revolvierende Bestellung" von Vorstandsmitgliedern).

 

Normenkette

AktG § 84 Abs. 1 S. 3; BGB §§ 85, 134

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 20.06.2017; Aktenzeichen 10 O 470/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers zu 1) sowie der Berufung und Anschlussberufung des Klägers zu 2) wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 20. Juni 2017 - 10 O 470/16 - aufgehoben und im Hauptsachetenor insgesamt wie folgt neu gefasst:

"Die Klagen werden abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten wird festgestellt, dass Frau M, Herr Dr. Q und Herr C am 8. Februar 2017 wirksam als Kuratoriumsmitglieder der Beklagten für eine Amtszeit von vier Jahren und sechs Monaten ab dem 8. Februar 2017 gewählt worden sind."

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten erster Instanz und die Gerichtskosten erster Instanz tragen der Kläger zu 1) zu 49 % und der Kläger zu 2) zu 51 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zweiter Instanz und die Gerichtskosten zweiter Instanz tragen der Kläger zu 1) zu 25 %, der Kläger zu 2) zu 73,5 % und die Kläger zu 1) und 2) gemeinschaftlich zu 1,5%. Im Übrigen findet ein Kostenausgleich nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. 1. Die Beklagte ist eine im Jahr 1995 durch Herrn S (im Folgenden: Stifter) gegründete und seit dem Jahr 1996 als gemeinnützig anerkannte Stiftung mit Sitz in W (vgl. Anlage K 1, Blatt 10 der Akte, und Anlage K 15, Blatt 53 der Akte). Ihre Satzung in der von der Stiftungsaufsicht genehmigten Fassung vom 24. November 2011 enthält u.a. folgende Regelungen (vgl. Anlage 2a, Blatt 11 ff der Akte):

"[...]

§ 6

Organe der Stiftung

Organe der Stiftung sind der Vorstand und das Kuratorium.

§ 7

Zusammensetzung des Stiftungsvorstandes

(1) Der Stiftungsvorstand besteht aus drei bis maximal fünf Personen.

Nach dem Tod des Stifters ernennt der Vorstand einen Geschäftsführer.

Der Stifter ist geborenes Mitglied des Vorstands.

(2) Solange der Stifter dem Vorstand angehört, bestellt er die übrigen Vorstandsmitglieder und bestimmt deren Zahl.

Nach seinem Tod geht diese Befugnis auf das Kuratorium über.

[...]

(4) Die Mitglieder des Vorstandes haben keinen Rechtsanspruch auf die Erträgnisse des Vermögens der Stiftung. Ihnen dürfen keine Vermögensvorteile zugewendet werden. Sie haben aber Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach Zeitaufwand. Außerdem sind ihnen die Auslagen nach Maßgabe der steuerlichen Bestimmungen zu erstatten. Die Entschädigung ist vom Stifter und nach dessen Ableben vom Kuratorium im Voraus für eine Amtsperiode der Vorstandsmitglieder festzulegen.

(5) Spätestens einen Monat vor Ablauf der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds wird der Nachfolger gemäß den vorstehenden Bestimmungen gewählt. [...]

§ 8

Amtszeit der Vorstandsmitglieder

(1) Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern erfolgt jeweils auf die Dauer von fünf Jahren. Wiederbestellung ist zulässig. Das Amt jedes Vorstandsmitglieds endet automatisch mit Vollendung des 75. Lebensjahres. Das gilt nicht für den Stifter.

Die Mitglieder des Vorstandes können zu Lebzeiten des Stifters von diesem, hernach vom Kuratorium, jederzeit aus wichtigem Grund abberufen werden.

[...]

§ 9

Organisation, Rechte und Pflichten des Vorstands

(1) Solange der Stifter dem Vorstand angehört, ist er dessen Vorsitzender.

Der Stifter kann - auch durch Verfügung von Todes wegen - bestimmen, wer sein Nachfolger als Vorsitzender des Vorstandes und wer dessen Stellvertreter werden soll. Ist eine solche Bestimmung nicht erfolgt, werden der Vorsitzende und sein Stellvertreter vom Kuratorium aus der Mitte des Vorstandes bestimmt.

[...]

§ 11

Kuratorium

(1) Die Stiftung erhält ein Kuratorium, sofern der Stifter dies bestimmt oder durch letztwillige Verfügung seitens des Stifters.

(2) Das Kuratorium besteht aus drei Personen. Das erste Mitglied ist der Stifter, falls er nicht dem Vorstand angehört. Die übrigen Kuratoriumsmitglieder werd...

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