Entscheidungsstichwort (Thema)
"Das Große Rabatt-Würfeln"
Leitsatz (amtlich)
1. Würfelt der Kunde in einem Supermarkt an der Kasse unmittelbar vor dem Kassenregistrierungsvorgang um die Höhe des ihm zukommenden Rabattes, so ist er spätestens dann, wenn er den Würfel ergreift, an seinen Antrag gebunden, die ausgewählte Ware zu dem spielerisch ermittelten Preis kaufen zu wollen.
2. Ein derartiges Rabatt-Würfeln ist ein Gewinnspiel i.S.d. § 4 Nr. 6 UWG. Wortlaut und Schutzgedanke der Vorschrift umfassen auch die Fälle, in denen der ausgelobte Gewinn lediglich in einem Preisnachlass auf die erworbene Ware besteht.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 6; BGB § 145
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 29.01.2007; Aktenzeichen 31 O 58/07) |
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben:
"Das Große Rabatt-Würfeln bei u. Baumarkt ...
An jeder Kasse können Sie würfeln und bekommen dann sofort den gewürfelten Rabatt auf Ihren gesamten Einkauf gutgeschrieben. Nieten gibt es nicht: 5 % Rabatt sind garantiert!...",
wenn dies wie folgt geschieht:
Die Kosten des Verfahrens werden zu 4/5 der Antragsgegnerin und zu 1/5 dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller - ein Verband i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG - beanstandet die in der Urteilsformel wiedergegebene Werbung der Antragsgegnerin als wettbewerblich unlauter, weil danach der Warenabsatz mit einem Gewinnspiel gekoppelt sei. Gegen die Zurückweisung seines Verfügungsantrags durch Beschluss vom 29.1.2007 wendet er sich mit seiner sofortigen Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 567 ff. ZPO) hat auch in der Sache Erfolg und führt auf Grund der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Erlass der nunmehr an der konkreten Verletzungsform orientierten einstweiligen Verfügung durch zweitinstanzliches Endurteil (§§ 936, 922 Abs. 1 S. 1 ZPO; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 922, Rz. 14 m.w.N.).
Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin nach deren eigenem Vorbringen ein Anspruch auf Unterlassung unlauterer Wettbewerbshandlungen aus §§ 3, 4 Nr. 6, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.
1. Nach § 4 Nr. 6 UWG handelt unlauter, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware abhängig macht. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
a) Die gesetzliche Regelung lässt bei tatbestandsmäßigen Handlungen keine abweichende Bewertung der Unlauterkeit zu (Senat, GRUR-RR 2007, 49 - Smart-Cabrio-Gewinnspiel); eine zu weitherzige Interpretation der einzelnen Tatbestandsbegriffe wird sich daher nicht empfehlen (anders für die Fälle der Kopplung bei der Gewinnzuteilung aber Fezer/Hecker, UWG, § 4-6, Rz. 48 ff. [57 ff.]). Dennoch liegt es - dem Wortsinn folgend - auf der Hand, dass das von der Antragsgegnerin beworbene "Rabatt-Würfeln" aleatorischen Reiz hat und ein Spiel darstellt, bei dem über den Gewinn durch Zufall entschieden wird (vgl. Fezer/Hecker, a.a.O., § 4-5, Rz. 55, 62, 70).
b) Nach der Werbung der Antragsgegnerin und nach ihrem eigenen Vorbringen zur tatsächlichen Durchführung der Aktion hängt die Teilnahme an dem Spiel auch vom Warenerwerb ab. Eine solche Kopplung liegt nicht nur vor, wenn eine rechtliche Verknüpfung des Warenabsatzes mit der Teilnahme an dem Gewinnspiel erfolgt, sondern auch, wenn eine tatsächliche Abhängigkeit zwischen dem Warenabsatz und der Gewinnspielteilnahme oder den Gewinnchancen anzunehmen ist (BGH, GRUR 2005, 599 [600] - Traumcabrio m.w.N.). Ob eine derartige Abhängigkeit besteht, beurteilt sich aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers.
Hier besteht bereits eine rechtliche Abhängigkeit. Denn am "Rabatt-Würfeln" teilnehmen kann gemäß der Ankündigung nur, wer zuvor in einem Baumarkt der Antragsgegnerin eingekauft hat ("... sparen Sie bei jedem Einkauf ..."; "... bekommen ... den gewürfelten Rabatt auf Ihren gesamten Einkauf gutgeschrieben ..."). Dass das Würfeln an der Kasse nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin vor dem Kassiervorgang stattfindet, steht dem nicht entgegen. Sieht man bereits in der Ausstellung der Waren in einem Selbstbedienungsladen ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages, das vom Kunden durch Vorlegung der Ware an der Kasse angenommen wird (so z.B. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 145, Rz. 8; MünchKomm/Kramer, BGB, 5. Aufl., § 145, Rz. 12; Bamberger/Roth/Eckert, BeckOK BGB, § 145, Rz. 43; jeweils m.w.N.), kommt es auf die Reihenfolge von Würfel- und Kassiervorgang ohnehin nicht an, weil nach dieser Ansicht das Erwerbsgeschäft schon vorher abgeschlossen war. Doch auch wenn man annimmt, dass erst das Vorlegen der Ware durch den Kunden ein Kaufangebot und in der Regel erst das Verbuchen des Preises in der Registrierkasse dessen Annahme darstellt (so Dietrich, DB 1972, 957...