Entscheidungsstichwort (Thema)
"Personal Video Recorder": zeitversetzter Empfang eines Fernsehprogramms im Internet
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Angebot an Internetnutzer, aus in Deutschland ausgestrahlten Fernsehprogrammen Sendungen auswählen und zeitversetzt auf dem eigenen Personal Computer ansehen zu können, nachdem der Anbieter eine von ihm digitalisierte Fassung der Sendung auf einem dem jeweiligen Nutzer zugewiesenen Speicherplatz seines Servers vorgehalten hat, erfüllt den Tatbestand des § 19a UrhG und greift in das Vervielfältigungsrecht des betroffenen Fernsehsenders nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG ein.
2. "Hersteller" der Vervielfältigungsstücke i.S.d. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG in Anwendung des vorbezeichneten Geschäftsmodells ist der Anbieter und nicht der Internetnutzer (= Endkunde). Wird dem Internetznutzer der Programmabruf aber unentgeltlich gewährt, greift der Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG, so dass insoweit sowohl die "Widerrechtlichkeit" nach § 97 Abs. 1 UrhG als auch die Unzulässigkeit des Inverkehrbringens i.S.d. § 53 Abs. 1 UrhG entfallen.
3. Zwischen den Programmsendern und dem Anbieter des beschriebenen Geschäftsmodells besteht kein konkretes Wettbewerbsverhältnis, weil dem Sender durch dessen Angebot keine Zuschauer verloren gehen.
Das in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergangene Urteil ist gem. § 542 Abs. 2 ZPO seit seiner Verkündung rechtskräftig.
Normenkette
UrhG § 15 Abs. 3, §§ 19a, 53 Abs. 1, § 87 Abs. 1, § 97 Abs. 1; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1, § 8 Nr. 2; BGB § 823 Abs. 1, § 1004
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 27.04.2005; Aktenzeichen 28 O 149/05) |
Tenor
1. Unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung der Antragsgegnerin wird das am 27.4.2005 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln - 28 O 149/0 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
a) das Fernsehprogramm "S." der Antragstellerin oder Teile davon für Dritte gegen Entgelt zu vervielfältigen und/oder - insb. durch Internetübertragungen - öffentlich zugänglich zu machen, entsprechend der nachstehend wiedergegebenen, noch ausschließlich die unentgeltliche Version betreffenden Ankündigung: ...
b) das Angebot "T. TV" mit dem Fernsehprogramm "S." Dritten in dem von vorstehend lit. a) umfassten Umfang zur Einbindung in eine Website entgeltlich oder unentgeltlich zu lizenzieren,
c) für die unter vorstehend zu a) und b) genannten Aktivitäten zu werben oder werben zu lassen.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I. Die Antragstellerin, ein privates Sendeunternehmen, strahlt bundesweit das Fernsehprogramm "S." aus. Sie nimmt die Antragsgegnerin, welche Multimediadienstleistungen, u.a. eine elektronische Programmzeitschrift, anbietet, unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten auf Unterlassung ihres unter der Internetadresse T. TV betriebenen Angebots, wie aus der Einblendung im Tenor ersichtlich, in Anspruch. Seit dem 10.3.2005 bietet die Antragsgegnerin im Rahmen von T. TV Internetnutzern an, aus 20 in Deutschland ausgestrahlten Fernsehprogrammen, so auch demjenigen der Antragstellerin, Sendungen auszuwählen und zeitversetzt auf dem eigenen Personal Computer anzusehen. Die Antragsgegnerin empfängt hierbei die jeweiligen Sendesignale mittels eigener Vorrichtungen und speichert eine - von ihr digitalisierte - Fassung der ausgewählten Sendung auf einem dem jeweiligen Nutzer zugewiesenen Speicherplatz auf ihrem Server, dem sog. PVR (= Personal Video Recorder), von wo aus der Kunde sie zu einem Zeitpunkt seiner Wahl abrufen kann.
Insbesondere unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten strebt die Antragstellerin darüber hinaus das Verbot an, über T. TV Kindern und/oder Jugendlichen jugendgefährdende Sendungen zugänglich zu machen.
II. Die insgesamt zulässige Berufung führt in der Sache nur teilweise zum Erfolg. Die durch das angefochtene Urteil erlassene einstweilige Verfügung ist unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufzuheben, soweit sich das Unterlassungsgebot auch darauf erstreckt, dass die Antragsgegnerin Internetnutzern die durch ihr Geschäftsmodell T. TV eröffneten Möglichkeiten des zeitversetzten Ansehens von Fernsehsendungen unentgeltlich einräumt, und soweit ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen jugendschützende Vorschriften in Rede steht.
1. Das - nach teilweiser Rücknahme des ursprünglichen Verfügungsantrags zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - noch verbleibende Petitum der Antragstellerin stellt sich gem. §§ 97 Abs. 1, 87 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 und Abs. 1 Nr. ...