Entscheidungsstichwort (Thema)
"Palast der Republik"
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bildhonorar-Tabellen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM-Empfehlungen) können ausnahmsweise als Ansatzpunkt für die richterliche Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO angesehen werden, wenn es sich um Lichtbilder eines professionellen Fotografen handelt, die nicht mehr reproduzierbar sind und wenn durch Vorlage von Rechnungen belegt ist, das Lizenzen in ähnlicher Höhe - sei es auch für andere Nutzungsarten - erzielt werden.
2. Der Streitwert des Unterlassungsanspruchs betreffend die Nutzung einer Vielzahl von Lichtbildern steigt nicht linear, sondern degressiv. Bei der Nutzung von 52 Lichtbildern, die zumindest teilweise die Schwelle zum Lichtbildwerk überschritten haben, ist ein Ansatz von 3 000 EUR pro Bild sachgerecht.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 2; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 14 O 20/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 19.11.2015 - Az. 14 O 20/14 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 14.872 EUR zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der vorgerichtlichen Inanspruchnahme der Rechtsanwälte Unverzagt von Have, Rothenbaumchaussee 43, 20148 Hamburg in Höhe von 2.280,70 EUR freizuhalten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 35 % und der Beklagte zu 65%.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Berufsfotograf und hat als solcher 52 Fotografien von dem inzwischen abgerissenen "Palast der Republik" aufgenommen, die in einem Bildband unter dem gleichnamigen Titel im Jahr 2010 erschienen sind. Die Veröffentlichung erfolgte auf der Grundlage eines zwischen dem Kläger und dem Verlag F. GmbH geschlossenen Verlagsvertrages vom 25. März 2010, mit dem der Kläger dem Verlag F. GmbH das Verlagsrecht, nämlich das räumlich unbeschränkte, ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung eingeräumt hatte. Ergänzend wird auf den als Anlage K 2 (Bl. 11 der Akte) vorgelegten Vertrag Bezug genommen.
Der Kläger ist Mitglied der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Dazu hat er mit der VG Bild-Kunst unter dem 4. beziehungsweise 20.08.1998 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen. Er ist der Berufsgruppe II ("Fotografie, Illustration und Design") beigetreten. In dem Wahrnehmungsvertrag in der damaligen Fassung heißt es unter anderem in § 1:
Der Berechtigte überträgt hiermit der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst - als Treuhänderin für alle Länder - die ihm aus seinem Urheberrecht gegenwärtig zustehenden oder zukünftig anfallenden, nachstehend aufgeführten Nutzungsrechte zur Wahrnehmung und Einziehung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:
"[...]
o) Ansprüche aus der nach der ersten Veröffentlichung erfolgten Nutzung von Lichtbildwerken und Lichtbildern in digitaler Form, soweit die Nutzung durch Vervielfältigung (§ 16 UrhG), Vorführung (§ 19 UrhG), Sendung (§ 20 UrhG) oder durch öffentliche Wiedergabe in unkörperlicher Form (§ 15 Abs. 2 UrhG) für wissenschaftliche Zwecke oder für den Schul- und Unterrichtsgebrauch sowie andere, nicht kommerzielle Bildungszwecke erfolgt [...]."
In § 5 des Wahrnehmungsvertrages heißt es, dass Satzung und Verteilungspläne, auch soweit sie zukünftig geändert werden sollten, Bestandteil des Vertrages seien. Von der Mitgliederversammlung oder dem Verwaltungsrat beschlossene Änderungen, insbesondere Ergänzungen des Wahrnehmungsvertrages, sollen als Bestandteil des Vertrages gelten, insbesondere auch im Hinblick auf zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht bekannte Nutzungsarten. "Änderungen oder Ergänzungen sind dem Berechtigten schriftlich mitzuteilen. Die Zustimmung des Wahrnehmungsberechtigten zur Änderung oder Ergänzung gilt als erteilt, wenn er nicht binnen 6 Wochen seit Absendung ausdrücklich widerspricht; auf diese Rechtsfolge ist er in der Mitteilung hinzuweisen." Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Vertrages (Anlage K 17a, Bl. 400 ff. der Akte) Bezug genommen.
In späteren Fassungen - von denen zwischen den Parteien streitig gewesen ist, ob sie im Verhältnis zum Kläger wirksam geworden sind -, lauteten die einschlägigen Regelungen:
Stand 3/2006, Anlage K 19, Bl. 459 ff. d. A.:
"§ 1
[...]
k) für Berechtigte, die der Berufsgruppe I angehören, den Vergütungsanspruch im Falle der Aufnahme des Werkes in Sammlungen für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch (§ 46 Abs. 3 UrhG)
[...]
l) für Berechtigte, die der Berufsgruppe I angehören, die Ansprüche aus den von Werken und Lichtbildern in Form der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 16, 17 und 19 Buchst. a UrhG) [...]
r) das Recht, Werke der bildenden Kunst sowie Lichtbildwerke und Lichtbilder, deren Urheber der ...