Leitsatz (amtlich)

Der Luftfrachtführer kann beim Verlust von Reisegepäck dem Vorwurf eines groben Organisationsmangels durch Teilnahme an dem weltweit praktizierten Tracing-Verfahren zum Auffinden fehlgeleiteter Gepäcksstücke begegnen.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 11.12.2002; Aktenzeichen 91 O 234/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.12.2002 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 91 O 234/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Klägerin ist Transportversicherer einer Firma B.. Der Transportversicherungsvertrag war ursprünglich mit der H. Versicherungsbank VVaB (L.) abgeschlossen worden; das Versicherungsverhältnis ist aber in der Folgezeit wirksam auf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin übertragen worden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Versicherungsleistungen, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 2.5.2000 erbracht hat (§ 67 VVG). Grundlage ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

Der Geschäftsführer der Firma B. war mit diversen technischen Geräten von Frankfurt/M. nach Israel und am 18.11.1999 mit der Beklagten von Tel Aviv zurück nach Frankfurt geflogen. Bei diesem Rücktransport übergab er der Beklagten drei von außen identische Kisten als gewöhnliches Reisegepäck, ohne auf den Inhalt der Kisten hinzuweisen. Rückschlüsse auf den Inhalt der Kisten waren von außen nicht möglich.

Nach der Ankunft in Frankfurt wurde festgestellt, dass zwar zwei Kisten mit einem Gesamtwert von 17.170,95 DM angekommen waren; eine Kiste des Versicherungsnehmers war jedoch nicht auffindbar, was umgehend dem Gepäckdienst mitgeteilt wurde. Die von der Beklagten noch am Abend des selben Tages eingeleitete (weltweite) Suche nach dem Gepäckstück (sog. Tracing-Verfahren) blieb im Ergebnis erfolglos. Auch eine seit dem 9.12.1999 erfolgte erweiterte Suche aufgrund einer durch den Geschäftsführer der Fa. B. übermittelten Inhaltsliste des vermissten Gepäckstückes blieb ohne Erfolg. Auch Spuren des Gepäckstückes, wie etwa abgerissene Identifikationslabel, sind nicht aufgefunden worden.

Die Beklagte hat für den Verlust des Gepäckstückes einen Betrag von 1.873 DM erstattet.

Die Klägerin verlangt als Rechtsnachfolgerin von der Beklagten die Erstattung eines (verbliebenen) Restbetrages i.H.v. 56.078,31 DM. Sie hat u.a. behauptet, der Verlust der dritten Kiste sei auf einen Diebstahl durch Personen zurückzuführen, deren sich die Beklagte zur Gepäckbeförderung bedient habe. Außerdem spreche der Umstand, dass das Gepäckstück nicht in Frankfurt angekommen sei, für eine mangelhafte Organisation der Beklagten; dieser obliege daher zunächst die sekundäre Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Organisation.

Die Beklagte ist den Behauptungen und Rechtsansichten der Klägerin entgegengetreten; sie hat die Ansicht vertreten, es seien hier keine Anhaltspunkte vorgetragen, die Anlass gäben, ihr - der Beklagten - eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen. Im Übrigen sei sie, sähe man das anders, auch ihre Darlegungslast insoweit hinreichend nachgekommen.

Durch Urteil vom 11.12.2002 (Bl. 118 ff. d.A.), auf das wegen aller weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass die Beklagte im Rahmen des Art. 22 WA bis zu der dort genannten Haftungshöchstgrenze Ersatz geleistet habe; die Beklagte hafte hier aber nicht unbeschränkt nach Art. 25 WA. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer solchen Haftung seien von der Klägerin darzulegen und zu beweisen; hieran änderten im vorliegenden Fall auch nichts die Grundsätze über die sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Denn es fehle "hier bereits an objektiven Anhaltspunkten, die für ein derart hohes Organisationsverschulden der Beklagten sprechen, dass dieser im Wege der sekundären Darlegungs- und Beweislast eine substantiierte Darlegung aufzuerlegen wäre."

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zulässigen Berufung. Sie wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag (Bl. 184 ff.; Bl. 246 ff.; Bl. 302 ff., Bl. 342 ff. d.A.) und meint, die Beklagte habe die ihr obliegenden Darlegungs- und Beweisobliegenheiten nicht in der erforderlichen Weise genügt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt von einem qualifizierten Verschulden nach § 435 HGB auszugehen sei. Entscheidend komme es hier auf die Schnittstellenkontrollen an, die während des Transportes zwischen den einzelnen Transportabschnitten angestellt werden. Hierzu fehle es aber an hinreichenden Angaben durch die Beklagte. Sämtliche Transportabschnitte bei der Beklagten blieben undurchleuchtet, und dies, obwohl das Gepäckstück mit einem Label versehen werde (Bl. 250). Das Kontrollsystem entspreche damit nicht dem internationalen Standard. Auch eine geringe "Verlustquote" im Rahmen des Reisegepäcks könne no...

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