Entscheidungsstichwort (Thema)

"Goldesel"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Internet-Zugangsvermittler (Access-Provider) können im Wege der Störerhaftung darauf in Anspruch genommen werden, den Zugang ihrer Kunden zu rechtsverletzenden Angeboten im Internet zu unterbinden, soweit ihnen dies durch zumutbare Maßnahmen möglich ist.

2. Sie können zu solchen Maßnahmen grundsätzlich auch ohne spezialgesetzliche Grundlage verpflichtet werden. Dies gilt allerdings nicht für Sperrmaßnahmen, die eine Filterung und Analyse des gesamten Datenverkehrs ihrer Kunden (sog. URL-Sperren) erfordern. Ein solcher Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis bedarf, auch wenn er von einem privaten Unternehmen vorgenommen wird, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

3. Die Inanspruchnahme des Zugangsvermittlers als Störer setzt voraus, dass er den Zugang zu rechtsverletzenden Angeboten durch zumutbare Maßnahmen unterbinden kann. Für die Unzumutbarkeit einer Maßnahme spricht es, wenn durch sie in erheblichem Umfang auch der Zugang zu anderen und legitimen Inhalten betroffen wird. Gleiches gilt für Maßnahmen, die den Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten nicht effektiv unterbinden können.

4. Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit von Maßnahmen sind die wirtschaftlichen Nachteile, die der Zugangsvermittler durch die in Rede stehenden Maßnahmen erleidet, den Vorteilen, die sich der Rechteinhaber von diesen Maßnahmen verspricht, einander gegenüberzustellen. Dabei müssen die Kosten, die mit der Einführung der betreffenden Maßnahme verbunden sind, den durch die fragliche Rechtsverletzung entstehenden Schäden einander gegenübergestellt werden. Hierzu ist zumindest der Vortrag der Größenordnung der betreffenden Beträge erforderlich.

 

Normenkette

UrhG § 97; BGB § 1004

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 31.08.2011; Aktenzeichen 28 O 362/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.11.2015; Aktenzeichen I ZR 174/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 31.8.2011 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln - 28 O 362/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen.

Dieses Urteil und das genannte Urteil des LG Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz und das Berufungsverfahren auf 800.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1 ZPO)

I. Die Klägerinnen zählen zu den führenden Tonträgerherstellern. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen, das ihren Kunden als Internet-Access-Provider den Zugang zum Internet vermittelt. Zu diesem Zweck stellt sie ihren Kunden breitbandige Netzzugänge über das Internetprotokoll (IP) auf Basis von Direktanschlüssen zur Verfügung. Das Angebot umfasst ein Telekommunikationsnetz mit umfassenden Angeboten und Diensten im Bereich Sprach-, Daten- und Multimedia-Dienstleistungen für Geschäfts- und Privatkunden. Nachfolgend wird das Geschäftsmodell der Beklagten allgemein als "Zugangsvermittlung" bezeichnet.

Die Klägerinnen sehen sich durch das Angebot von Musikstücken zum kostenlosen Herunterladen in Internettauschbörsen (Filesharing) und anderen Internetdiensten, die Zugang zu Internettauschbörsen vermitteln, in ihren Rechten verletzt. Mit Schreiben vom 15.2.2010 forderten sie die Beklagte auf, die Verletzung von Rechten der Klägerinnen durch Dritte und durch Kunden zu unterlassen, etwa durch Sperrung des weiteren Zugangs zu dem Internetdienst "Goldesel. to" unter der IP-Adresse 92.241.168.132, der für die Nutzer des Filesharing-Systems "eDonkey" die zentrale Anlaufstelle für die Suche nach überwiegend rechtsverletzenden Musik-, Film oder Softwaredateien in Internettauschbörsen sei.

Die Klägerinnen haben behauptet, sie seien als Tonträgerhersteller Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an den auf den Seiten 15 bis 21 der Klageschrift (Bl. 15 - 21 d.A.) aufgeführten Musikstücken der Künstler "Depeche Mode" aus dem Album "Sounds of the Universe" (Klägerin zu 1), Michael Jackson aus dem Album "King of Pop" (Klägerin zu 2), "Silbermond" aus dem Album "Nichts passiert" (Klägerin zu 2), "Sportfreunde Stiller" aus dem Album "MTV Unplugged in New York" (Klägerin zu 3), "Rosenstolz" aus dem Album "Die Suche geht weiter" (Klägerin zu 3) und "Jennifer Rostock" aus dem Album "Der Film" (Klägerin zu 4), zusammen sechs Alben mit insgesamt 120 Titeln. Sie seien durch entsprechende P- und C-Vermerke als Rechteinhaber auf den jeweiligen im Handel erhältlichen Tonträgern ausgewiesen. Bei der in dem P+C-Vermerk auf dem Album "Sounds of the Universe" genannten Gesellschaft "Mute Records Ltd." handele es sich um eine Schwestergesellschaft der Klägerin zu 1), die ihr Repertoire in den Konzern eingebracht habe. Auf...

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