Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters (Balkonbrüstung) - Höhe des Schmerzensgeldes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verpflichtung des Reiseveranstalters zur Überprüfung des Sicherheitsstan dards des Vertragshotels erstreckt sich auch auf die Balkonbrüstung der Hotelzimmer.

Als Maßstab sind nicht nur - die am Ort geltenden - öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgeblich, sondern auch die sich einem sachkundigen und geschulten Beobachter bei genauem Hinsehen ohne Weiteres erkennbaren und sich aufdrängenden Risiken.

2. Zur Höhe des Schmerzensgeldes einer Ehefrau bei dem Tod des Ehemannes.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 651a, 651c, 651 f., § 652

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.05.2006; Aktenzeichen 15 O 744/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2.5.2006 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Köln - 15 O 744/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzengeld i.H.v. 6.500 EUR und weitere 7.355,60 EUR, jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 27.12.2005 sowie außergerichtliche Kosten i.H.v. 449,96 EUR zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dieser aus dem Unfallereignis vom 3.10.2005 zukünftig entstehen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 57 %, die Beklagte zu 43 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin und ihr Ehemann waren Teilnehmer einer Reise in die Türkei, die der mit ihnen befreundete Herr J. bei der Beklagten für die Zeit vom 30.9. bis 14.10.2005 gebucht hatte. Nachdem die Klägerin und ihr Ehemann am Abend des 2.10.2005 die Bar des gebuchten Hotels besucht hatten, legte die Klägerin sich nach Mitternacht schlafen, während ihr Ehemann auf den Balkon des Hotelzimmers ging, um dort zu rauchen. Die Klägerin wurde irgendwann durch ein Geräusch wach und stellte fest, dass ihr Mann, der in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang alkoholisiert war, von dem im dritten Stock des Hotels gelegenen Balkon gestürzt war. Er hatte tödliche Verletzungen erlitten und verstarb noch am Unfallort.

Die Klägerin hat Schmerzensgeld, Beerdigungskosten und Ersatz weiterer materieller Schäden verlangt sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden begehrt. Sie hat vorgetragen:

Die Brüstung des Balkons sei - unstreitig - nur 56 cm hoch gewesen. Ihr Mann habe das Gleichgewicht verloren und sei aufgrund der zu geringen Höhe der Balkonbrüstung in die Tiefe gestürzt. Die Höhe der Balkonbrüstung von lediglich 56 cm stelle einen Sicherheitsmangel dar, für den die Beklagte als Reiseveranstalterin aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht einzustehen habe. Gemäß § 41 Abs. 2 BauONRW sei eine vergleichbare Balkonfläche mit einer Brüstung von mindestens 0,90 cm Höhe zu versehen. Sie, die Klägerin, leide unter dem Tod ihres Ehemannes sehr. Sie sei - unstreitig - in der Zeit vom 17.10.2005 bis 2.12.2005 in stationärer Behandlung gewesen. Insoweit hat die Klägerin den Entlassungsbericht des Q.-Krankenhauses vom 1.12.2005 vorgelegt, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Sie habe, so hat die Klägerin weiter vorgetragen, durch den Anblick ihres schwerverletzten Ehemannes einen Schockschaden erlitten, der eine schwere seelische Beeinträchtigung zur Folge gehabt habe. Unter den gegebenen Umständen sei ein Schmerzensgeld von mindestens 30.000 EUR angemessen. An Beerdigungskosten habe sie für die Beerdigung, den Grabschmuck, die Verköstigung der Trauergäste, Trauerkleidung (Hut), Fachliteratur, Danksagung sowie die Verköstigung der Gäste anlässlich des 6-Wochen-Amtes einen Betrag i.H.v. insgesamt 7.622,10 EUR verauslagt. Hinzu kämen 450 EUR, die sie aufgrund ihres stationären Krankenhausaufenthaltes als Eigenanteil (Beihilfe) selbst habe tragen müssen. Schließlich seien ihr vorgerichtliche Kosten durch Beauftragung ihrer Rechtsanwälte i.H.v. 703,31 EUR entstanden.

Die Beklagte hat von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass sie sich vor Abschluss des Leistungsträgervertrages von der Hotelleitung die behördlichen Genehmigungen und Betriebserlaubnisse habe vorlegen lassen. Am 25.12.1990 sei die Bauabnahme erfolgt und die Betriebsgenehmigung erteilt sowie bescheinigt worden, dass das Hotel den gültigen Verwaltungsvorschriften, Verordnungen und Gesetzen entspreche. Die Beklagte hat behauptet, der Ehemann der Klägerin habe vor seinem tödlic...

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