Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 12.05.2022; Aktenzeichen 8 O 215/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.05.2022 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Köln - Az. 8 O 215/20 - abgeändert.

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 544 Abs. 2 Nr. 1, 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Sie ist auch begründet, weshalb das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen war. Zwar hat das Landgericht zutreffend erkannt, dass der Kläger nach Verjährung des ihm ursprünglich gegen die Beklagte zustehenden Schadenersatzanspruchs aus § 826 BGB einen sogenannten Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB geltend machen kann, der sich auf Herausgabe des Erlangten richtet. Die Berechnung und die für diesen Anspruch geltenden Limitierungen, die hier dazu führen, dass kein Anspruch gegen die Beklagte verbleibt, hat das Landgericht aber nicht zutreffend berücksichtigt. Im Einzelnen:

1. Ursprünglich stand dem Kläger gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu. Dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen des mit einem manipulierten Motor des Typs EA 189 ausgestatteten streitgegenständlichen Fahrzeugs eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 826 BGB begangen hat, bedarf in Anbetracht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur etwa BGH Urteile vom 25.05.2020, VI ZR 252/19; vom 30.07.2020, VI ZR 354/19, 367/19, 397/19, 5/20) keiner weiteren Erörterung mehr. Dieser war von dem Kläger erstinstanzlich zunächst auf den sog. "großen" Schadensersatzanspruch, d.h. auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs wegen des Motors EA 189 gerichtet und ist zulässigerweise auf Ausgleich des Minderwerts umgestellt worden. Dem geschädigten Käufer steht es frei, im Rahmen des Anspruchs aus § 826 BGB statt des "großen" Schadensersatzes den "kleinen" Schadensersatz zu wählen, wobei er das Auto behält und als Schaden den Betrag ersetzt verlangt, "um den er den Kaufgegenstand - gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat" (BGH, Urteil vom 06.07.2021, VI ZR 40/20, Rn. 15). In letzterem Fall wird der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten reduziert, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden. Bei einem Kaufvertrag geschieht dies durch die Herabsetzung der Leistung des Geschädigten auf das tatsächlich angemessene Maß. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021, VI ZR 40/20, Rn. 16). Da es sich hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens und nicht um die Frage einer Anpassung des Vertrags handelt, braucht der Geschädigte in diesem Fall auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte (BGH, Urteil vom 06.07.2021, VI ZR 40/20, Rn. 21). Damit verfangen auch die Erwägungen der Beklagten, die einen Minderwert des Fahrzeugs auf der Grundlage der Gebrauchtwagenrestwerte ab Bekanntwerden des Dieselskandals in Abrede stellt, nicht.

2. Im Einklang mit der Berufung hat das Landgericht zu Recht eine Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB angenommen. Der Beklagten steht nach § 214 BGB ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht zu.

In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ist das Landgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch des Klägers der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren unterliegt (grundlegend zu den Dieselfällen: BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20).

Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt diese Frist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Konkret auf die sog. Dieselverfahren bezogen genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB, dass der geschädigte Fahrzeugkäufer Kenntnis vom sogenannten Dieselskandal im allgemeinen, von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung hat, wobei letztere Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist (BGH, Urteil vom 21.12.2021, VI ZR 212/20, Rn. 14; Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 294/20, Rn. 6; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20 Rn. 21 f...

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