Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollsynthetisches Motorenöl
Leitsatz (amtlich)
Es stellt eine Irreführung des Verbrauchers dar, ein Motorenöl, dessen Grundölanteil anders als bei herkömmlich als "vollsynthetisch" bezeichneten Motorenölen nicht aus Grundölen der API-Gruppen IV/V, sondern aus "Hydrocrackölen" (API-Gruppe III) besteht, ohne erläuternde Zusätze als "vollsynthetisch" zu bezeichnen (Anschluss an OLG Hamburg, WRP 1989, 667, und OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.1.2008 - 20 U 46/05 - juris).
Normenkette
UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 26.05.2015; Aktenzeichen 33 O 227/13) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.5.2015 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 227/13 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Motorenöle mit der Bezeichnung "T 504 00, 507 00, 5W-30" als "vollsynthetisch" zu bezeichnen und/oder bezeichnen zu lassen, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.
Dieses Urteil und das genannte Urteil des LG in der Fassung, die es durch dieses Urteil erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Die Höhe der Sicherheit beträgt für den Verbotstenor 25.000 EUR, im Übrigen für den Vollstreckungsschuldner 110 % des aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Betrages, für den Vollstreckungsgläubiger 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
I. Beide Parteien vertreiben Öl und Schmierstoffe. Sie streiten darüber, ob die Beklagte ihr Motorenöl "N T 504 00-507 00. SAE 5W30" als vollsynthetisch bewerben darf.
Motorenöle wurden herkömmlich aus mineralischen Grundölen (API [American Petroleum Institute] Gruppen I und II) gewonnen, wobei ein Motorenöl etwa zu 75-80 % aus Grundölen und zu 20-25 % aus Additiven besteht. Seit Mitte der 1970er Jahre sind auch Motorenöle auf dem Markt, deren Grundöl-Anteile nicht aus Mineralöl, sondern aus einfachen Grundverbindungen durch Polymerisation und/oder Veresterung hergestellt werden (Grundöl auf PAO [Polyalphaolefine]-Basis bzw. Dicarbonsäureestern, API Gruppen IV und V). Eine weitere Gruppe der Grundöle bilden die so genannten Hydrocracköle (API Gruppe III). Ein solches Hydrocracköl liegt dem hier in Streit stehenden als vollsynthetisch bezeichneten Motorenöl der Beklagten zugrunde.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Werbung der Beklagten irreführend sei. Das von der Beklagten angebotene, auf Hydrocrackbasis hergestellte Motorenöl dürfe nicht als "vollsynthetisch" beworben werden, da der Verkehr unter "vollsynthetisch" nicht Öl aus Hydrocrackverfahren verstehe, sondern solche mit einem Grundöl, welches fast gänzlich aus PAO oder Dicarbonsäureestern bestehe. Das Hydrocrackverfahren liefere im Verhältnis zu Grundölen aus PAO oder Dicarbonsäureestern kein vergleichbares homogenes Endprodukt. Die Hydrocracköle würden sich von denen auf PAO-Basis nicht nur durch kürzere Seitenketten der Iso-Alkane unterschieden. Während PAO zu 100 % aus Paraffinen bestehe, betrage dieser Anteil bei Hydrocrackölen nur zwischen 30 % und 57 %. Die Herstellung sei auch weniger kostenintensiv als die der API-Gruppe IV/V. Der Verkehr werde durch die Bewerbung als "vollsynthetisch" über Wirkungsweise und Qualität des hier streitigen Motorenöls getäuscht. An diesen Zusammenhängen und dem Verkehrsverständnis habe sich in den letzten Jahren nichts geändert.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Motorenöle mit der Bezeichnung "T 504 00, 507 00, 5W 30" als "vollsynthetisch" zu bewerben und/oder entsprechende Motorenöle zu vertreiben, sofern es sich nicht tatsächlich um ein Motorenöl mit einem PAO-Anteil von mindestens 70 % handelt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Irreführung schon deshalb auszuschließen sei, weil es beim Publikum an einer greifbaren Verkehrsauffassung fehle und die angesprochenen Verkehrskreise mit dem Begriff "vollsynthetisch" keine Vorstellung verbinden würden. Von einer verweisenden Verbrauchervorstellung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden, da eine solche nur in Bezug auf gesetzliche Vorschriften oder Anforderungen von amtlichen Stellen oder zuständigen Fachkreisen bestehen könne. Selbst wenn eine konkrete Vorstellung existieren würde, interessiere sich der Verkehr nicht für die genaue chemische Zusammensetzung eines Motorenöls. Wichtig s...