Leitsatz (amtlich)
1. Gewalt iS. einer Beraubung nach § 5 Nr. 3a) Hs. 1 VHB 2005 liegt nicht vor, wenn nach dem Täterplan und der vermittelten Vorstellung des Opfers die Einwirkungsmöglichkeit des Opfers auf die Beute derart aufgegeben wird, dass zum Zeitpunkt der Tat ein Widerstand gegen die Wegnahme nicht erfolgt und damit auch nicht gerechnet werden kann.
2. Eine Klausel in den AVB, wonach Gewalt nicht vorliegt, wenn versicherte Sa chen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (§ 5 Nr. 3a) VHB 2005), ist jedenfalls dann nicht gemäß §§ 307 Abs. 1 S. 2 und 305c Abs. 1 BGB unwirksam, wenn die AVB eine "Ohnmachtsklausel" (hier: § 5 Nr. 3 b) VHB 2005 enthält.
3. Allein die Ankündigung, dass eine Diebesbande in das Haus des Opfers ein dringen will, stellt noch keine Androhung einer Gewalttat mit einer Gefahr für Leib und Leben für den Bewohner i.S.d. § 5 Nr. 3b) VHB 2005 dar. Die angedrohte Handlung muss eine Körperverletzung schwerer Art befürchten lassen, auf de- ren Eintritt der Androhende auch Einfluss hat.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 27.10.2016; Aktenzeichen 24 O 131/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.10.2016 verkündete Urteil des LG Köln - 24 O 131/16 - abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Entschädigung aufgrund der bei dieser abgeschlossenen Hausratversicherung im Zusammenhang mit einem Vorfall vom 31.08.2013, bei dem ihr Schmuck im Wert von ca. 65.000,- EUR entwendet worden ist.
Die am 07.06.1946 geborene Klägerin lebte mit ihrem im Zeitpunkt des Versicherungsfalles 78-jährigen Lebenspartner, dem Zeugen G., einem pensionierten Lehrer, in der R. Straße in 50935 Köln. Für ihr Wohnhaus unterhielt sie bei der Beklagten eine Hausratversicherung gemäß Nachtrag Nr. 99 zum Versicherungsschein vom 05.11.2013 (K 3 Bl. 21 ff.) mit einer Versicherungssumme von 161.900,- EUR. Diesem Vertrag lagen die Versicherungsbedingungen - Allgemeine Hausrat-Versicherungsbedingungen der P. - V. I. P. Version Intelligent, Fassung Oktober 2005, (VHB 05/PR 10.2005 Vers. 1.) zugrunde, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf die Anlage K 3, Bl. 27 ff. d.A. bzw. XXX 1 Anlagenheft verwiesen wird. Versichert ist nach § 3 Nr. 1b) VHB u.a., wenn versicherte Sachen durch Beraubung abhandenkommen. § 5 Nr. 3 VHB definiert die Beraubung wie folgt:
"Beraubung liegt vor, wenn
a) gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen (siehe § 1) auszuschalten; Gewalt liegt nicht vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl),
b) der Versicherungsnehmer versicherte Sachen (siehe § 1) herausgibt oder sich wegnehmen lässt, weil eine Gewalttat mit Gefahr für Leib und Leben angedroht wird, die innerhalb des Versicherungsortes (siehe § 9 Nr. 2) verübt werden soll,
c) dem Versicherungsnehmer versicherte Sachen weggenommen werden, weil sein körperlicher Zustand infolge eines Unfalles oder infolge einer nicht verschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt und dadurch seine Widerstandskraft ausgeschaltet ist."
Im August 2013 erhielt die Klägerin einen Anruf, in dem sich der Anrufer als Beamter des BKA vorstellte und ihr von mehreren, in der Nähe ihres Wohnhauses verübten Diebstählen berichtete. Einer dieser Diebstähle, bei dem Juwelen im Wert von über 2 Millionen EUR entwendet worden waren, war der Klägerin bekannt. Der Anrufer erklärte weiter, er wolle als Sicherheitsberater der Polizei die Klägerin und alle unmittelbaren Nachbarn vor künftigen Diebstählen warnen und fragte, ob die Klägerin ihre Wertsachen, wie Schmuck, gut versichert habe. Die Klägerin gab an, die Wertsachen im Safe untergebracht zu haben.
Am 31.08.2013 gegen 22.00 Uhr erhielt die Klägerin erneut einen Anruf. Es meldeten sich ein Herr Koch und ein Herr Happe oder Hoppe, die angaben, Mitarbeiter des BKA zu sein. Sie erklärten der Klägerin, eine Betrügerbande sei unterwegs, die wahrscheinlich den Diebstahl im Nachbarhaus im August begangen habe und nun einen Angriff auf die klägerische Wohnung plane, um auch dort Wertsachen zu stehlen. Man habe ein Telefonat abgehört, ein Kölner Einsatzkommando der Polizei sei unterwegs, um das klägerische Haus zu umstellen, und der Zugriff solle nach Mitternacht gegen 1.00 Uhr erfolgen. Der Zeuge G. übernahm den Hörer und verlangte einen Identifikationsnachweis der angeblichen Mitarbeiter des BKA. Ihm wurde gesagt, er könne auf dem Display die Nr. 110 sehen, was i...