Entscheidungsstichwort (Thema)
Publizitätspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, es zu unterlassen, der Publizitätspflicht im elektronischen Bundesanzeiger nicht dadurch zu genügen, dass der Antragsgegner dort die gesetzlich vorgesehene Information i.S.d. § 325 Abs. 1 HGB veröffentlicht, ist dahin auszulegen, dass der Antragsteller der Sache nach keine echte Unterlassung, sondern die Vornahme einer Handlung begehrt.
2. Die analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG auf einen solchen Antrag verbietet sich schon vor dem Hintergrund der besonders strengen Voraussetzungen für Leistungsverfügungen.
3. § 325 HGB stellt keine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar.
Normenkette
UWG § 12 Abs. 2, § 3a
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 31.07.2016; Aktenzeichen 1 O 205/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 31.7.2016 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bonn - 1 O 205/16 - abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 1.7.2016 zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Unterlassungsansprüche, weil die Antragsgegnerin ihrer Publizitätspflicht aus den §§ 325 ff. HGB nicht nachgekommen ist.
Die Antragstellerin vertreibt national und international Vakuum- und Dampfreinigungssysteme für Luft und Raum. Die Antragsgegnerin vertreibt im Ausland u.a. ein Dampfreinigungsgerät und einen Wasserstaubsauger. Ein Vertrieb in Deutschland findet nicht statt.
Mit Anwaltsschreiben vom 06.06.2016 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin erfolglos wegen der Nichteinhaltung ihrer Publizitätspflicht nach den §§ 325 ff. HGB ab und forderte die Antragsgegnerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zum Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten auf.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, die Publizitätsvorschriften der §§ 325 ff. HGB seien Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG. Die Nichteinhaltung dieser Pflichten sei überdies eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern gem. § 4 Nr. 4 UWG.
Mit Urteil vom 31.08.2016, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG Bonn der Antragsgegnerin antragsgemäß im Wege der einstweiligen Verfügung unter Meidung der üblichen Ordnungsmittel verboten, ihrer Publizitätspflicht im elektronischen Bundesanzeiger nicht dadurch zu genügen, dass sie dort die gesetzlich vorgesehene Information i.S.d. § 325 Abs. 1 HGB veröffentlicht bzw. - sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für sie zutreffen, s. § 326 Abs. 2 HGB - dort hinterlegt.
Mit ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das LG Bonn sei nicht zuständig gewesen, weil die Gerichtswahl rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das LG Bonn, das seine Zuständigkeit auch auf eigene richtungsweisende Urteile aus seiner Spezialzuständigkeit gestützt habe, hätte diese Urteile angeben müssen. Der Antrag sei zu unbestimmt.
Der Antrag sei auch unbegründet. Ein Verfügungsantrag bestehe nicht, weil § 325 HGB keine Marktverhaltensregel gemäß § 3a UWG darstelle. Die Überwachung von Verstößen obliege allein dem BMJ, nicht den Mitbewerbern. Soweit das LG Bonn sich auf ein Schreiben des BMJ aus den 1990er Jahren beziehe, sei dieses Schreiben überholt.
Es bestehe auch kein konkretes Wettbewerbsverhältnis, weil die Antragsgegnerin auf dem deutschen Markt keine Produkte vertreibe; deutsches Recht könne deshalb auch nicht die reine Auslandstätigkeit der Antragsgegnerin erfassen.
Da die Antragstellerin selbst nicht rechtzeitig ihren Publizitätspflichten nachkomme, könne sie sich auf einen Einwand der "unclean hands" berufen. Die Antragstellerin handele auch rechtsmissbräuchlich. Das Verfahren hier - wie auch andere Verfahren zwischen den Parteien - werde aus sachfremden Motiven geführt, insbesondere zur Behinderung der Antragsgegnerin und zur Generierung von Kostenerstattungsansprüchen. Die Verstöße selbst seien der Antragstellerin gleichgültig, was sich auch in dem Umstand zeige, dass die Antragstellerin in keinem der vielen zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet habe.
Der Verfügungsgrund bestehe nicht, die entsprechende Vermutung sei widerlegt.
Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Bonn vom 31.08.2016 (1 O 205/16) die einstweilige Verfügung des LG Bonn vom selben Tage aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II. Die zulässige Berufung ist auch in der Sache begründet.
1. Das LG war international zuständig und hat zutreffenderweise deutsches Recht angewandt.
Aus dem Umstand, dass die Parteien nur im Ausland tatsächlich mit ihren Produkten um Kunden konkurrieren, folgt nichts anderes. Nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO ist international das Gericht zuständig, an dem die Bekl...