Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 30.11.2005; Aktenzeichen 7 O 601/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Köln vom 30.11.2005 (7 O 601/04) dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, die uneingeschränkte Nutzung des Geh- und Fahrrechts auf dem Grundstück I-Straße 25 in M (Gemarkung I2, Flur 5, Flurstücke 336) zu dulden und dem Kläger einen Schlüssel für die an der I-Straße angebrachte Schranke zu überlassen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Erbe seiner Großmutter auf Duldung eines Geh- und Fahrrechts in Anspruch. Die Großmutter des Klägers war Eigentümerin des zusammenhängenden Grundbesitzes in M., S.-Straße 54 und 56 sowie I.-Straße 225, bestehend aus den Flurstücken 232 und 233. Auf dem Grundstück S.-Straße 54 befindet sich an der S.-Straße ein grenzständiges Wohngebäude mit rückwärtigen grenzständigen Nebengebäuden und einem dazwischen liegenden Innenhof, der nur durch eine Toreinfahrt von der I.-Straße zu erreichen war. Mit notariellem Kaufvertrag vom 14.6.1988 veräußerte die Großmutter des Klägers den zur I.-Straße gelegenen Grundstücksteil (Flurstück 336) an die Beklagte, den zur S.-Straße gelegenen Grundstücksteil (Flurstücke 370 und 371) veräußerte sie nicht. Der Kaufvertrag enthält in Ziff. III.6. folgende Bestimmung:

"Das Tor an der Durchfahrt zum Grundstück S.-Straße 54 muss erhalten bleiben (Hochwasserfluchtweg). Erwerberin bestellt hiermit dem jeweiligen Eigentümer der nicht verkauften Restfläche der Parzelle 232 und der Parzelle 233 an der hier verkauften Teilfläche eine Grunddienstbarkeit - Geh- und Fahrrecht -, um von den herrschenden Grundstücken über das in dieser Urkunde verkaufte Grundstück zur I.-Straße und umgekehrt zu gehen und zu fahren."

Aufgrund der Eintragungsbewilligung vom 21.8.1996 wurde zu Lasten des Grundstücks der Beklagten zugunsten der Eigentümer des Grundstücks der Kläger eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Die Eintragung vom 1.10.1996 bezieht sich auf die Eintragungsbewilligung vom 21.8.1996, diese auf den notariellen Kaufvertrag vom 14.6.1988.

Das LG hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Duldung der uneingeschränkten Nutzung des Geh- und Fahrrechts zu, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass die Grunddienstbarkeit auf eine Nutzung als Hochwasserfluchtweg beschränkt sei.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfange fort. Er rügt, das LG habe die Eintragung des Geh- und Fahrrechts im Grundbuch unzutreffend ausgelegt; bei Anwendung der zutreffenden Auslegungsmaßstäbe ergebe sich, dass das Recht unbeschränkt eingeräumt sei.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unabhängig vom Ergebnis der Beweisaufnahme zu. Das LG hat die für die Auslegung des Inhalts der Dienstbarkeit geltenden Auslegungsgrundsätze verkannt. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für die Auslegung von Dienstbarkeiten entscheidend auf die Grundbucheintragung abzustellen. Maßgebend ist dabei vorrangig der Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb dieser Urkunde dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (vgl. etwa BGH v. 26.10.1984 - V ZR 67/83, BGHZ 92, 351 [355] = MDR 1985, 218 = NJW 1985, 385 [386]; v. 12.10.1990 - V ZR 149/89, MDR 1991, 421 = NJW-RR 1991, 457; v. 6.6.2003 - V ZR 323/02, NJW-RR 2003, 1235 f. = Rpfleger 2003, 412; Falckenberg in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1018 Rz. 16 ff.; Staudinger/Mayer, BGB, Bearb. 2002, § 1018 Rz. 137 ff.; Palandt/Bassenge; BGB, 65. Aufl., §§ 1018 Rz. 10, 14; § 873 Rz. 10, 14, jeweils m.w.N.). Dabei müssen die Entstehungsgeschichte des dinglichen Vertrages über die Bestellung der Dienstbarkeit und etwaige Schriftwechsel der Parteien unberücksichtigt bleiben. Herangezogen werden können dagegen der zugrunde liegende Kausalvertrag, soweit dieser nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Beurkundungsgesetz Inhalt der Eintragungsbewilligung geworden ist (Falckenberg in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1018 Rz. 17; Staudinger/Mayer, BGB, Bearb. 2002, § 1018 Rz. 138, m.w.N.). Zu den allgemein erkennbaren Umständen außerhalb des Grundbuchs gehören weiter die Verhältnisse beider Grundstücke, insb. die Lage und Verwendungsart des herrschenden Grundstückes, sowie bei nicht eindeutigem Wortlaut der Die...

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