Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 12 O 411/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18.03.2021 - 12 O 411/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.637,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 29.404,41 Euro seit dem 12.11.2020 bis zum 15.09.2020 und seit dem 16.09.2020 aus einem Betrag in Höhe von 28.637,89 Euro Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A8 3,0 TDI quattro, FIN WAU... zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieses Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 892,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.11.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betrugs im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.

Der Kläger kaufte im Jahr 2018 von der D-mbH ein gebrauchtes Kraftfahrzeug Audi A8 3,0 I TDI Clean Diesel Quattro (Modell 4 H).

Bereits zuvor hatte der Kläger das Fahrzeug als Leasingwagen in Besitz. Der Leasingvertrag vom 09.01.2015 sah eine Laufzeit von 36 Monaten sowie eine verbindliche Übernahme des Fahrzeuges am Ende der Laufzeit vor. Als Kaufpreis war ein Betrag in Höhe von 65.900,00 Euro brutto (bzw. 55.378,15 Euro netto) vereinbart worden. Der Kläger entrichtete insgesamt Leasingraten in Höhe von 65.059,68 Euro brutto und zahlte sodann noch einen Übernahmepreis von 9.385,33 Euro brutto. Zum Zeitpunkt der Übernahme des Fahrzeuges durch den Kläger im Jahr 2015 betrug der Kilometerstand 14.990 km, vor Erhebung der Klage am 19.05.2020 163.475 km, am 25.01.2021 170.633 km und am 15.09.2021, dem Tag vor der mündlichen Verhandlung des Senates, 174.578 km.

Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde von der Beklagten hergestellt und ist mit dem Dieselmotor des Typs EA896/897 mit SCR, Euro 6, ausgestattet. Die Beklagte installierte in dem Kfz eine Motorsteuerungssoftware in Form einer sogenannten Aufheizstrategie. Diese Motorsteuerungssoftware verfügt über eine Fahrzykluserkennung, die anhand einer Vielzahl von Umweltbedingungen feststellt, wenn das Gerät den Neuen Europäischen Fahrzyklus (Im Folgenden: NEFZ) durchfährt. Aufgrund der extrem eng bedateten "Schaltbedingungen" führt dies dazu, dass die "Aufheizstrategie" faktisch nur unter den Bedingungen des NEFZ arbeitet, während sie im Normalbetrieb ausgeschaltet bleibt. Durch diese Aufheizstrategie wird erreicht, dass der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand unter das gesetzlich zulässige Maß reduziert wird. Nur durch die hierdurch im NEFZ erreichten besseren Abgaswerte erfüllt das Fahrzeug die Voraussetzungen der EU Norm 6 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und 6).

Ferner ist der zuvor beschriebenen Aufheizstrategie ein Softwarealgorithmus vorgeschaltet (alternatives Aufheizen), der erkennt, wenn die "Vorkonditionierung" zur Durchführung des NEFZ vorgenommen wird.

Indes besitzt das Fahrzeug keine Möglichkeit, die es zulassen würde, dass nach Anwendung und Abschaltung der Aufheizstrategie das Fahrzeug im normalen Straßenbetrieb wieder in den Aufheizmodus wechseln könnte (Re-Entry Aufheizen), so dass die im Straßenbetrieb entstehenden Stickoxidemissionen demgemäß dauerhaft erhöht sind, weil selbige eben nur unter Anwendung der (nicht zuschaltbaren) Aufheizstrategie das gesetzliche Maß einhalten.

Aufgrund dieser in dem Fahrzeug implementierten Strategien ordnete das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) den Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeuges an, worüber die Beklagte den Kläger mit Schreiben aus Februar 2019 informierte. Zugleich teilte sie dem Kläger mit, dass im Hinblick auf die Beanstandungen des KBA ein Software-Update für sein Fahrzeug zur Verfügung stehe. Vor Erhalt dieses Schreibens und damit bei Abschluss des Leasingvertrages sowie auch zum Zeitpunkt der Übernahme des Fahrzeuges im Jahr 2018 hatte der Kläger keine Kenntnis davon, dass sein Fahrzeug vom sogenannten Dieselskandal betroffen sein könnte. Im Nachgang zu dem Schreiben ließ der Kl...

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