Entscheidungsstichwort (Thema)

"Dieselskandal": Schadensersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages mit einem Dritten bei Einsatz eines Thermofensters

 

Leitsatz (amtlich)

Die § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV sollen sicherstellen, dass Fahrzeuge nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Selbst wenn ein Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung dazu führt, dass keine gültige Übereinstimmungsbescheinigung vorliegt und der Hersteller dies verschuldete, kann sich aufgrund des Schutzzwecks der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus § 823 Abs. 2 BGB zwar ein Anspruch gegen den Inhaber der EG-Typgenehmigung auf Beifügung einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung (in Form der Beseitigung der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung), nicht aber auf (Rück-)Abwicklung eines Kaufvertrags mit einem Dritten ergeben. (Rn. 46)

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Der Antrag der Klagepartei auf Aussetzung des Rechtsstreits wird zurückgewiesen.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 08.04.2022, Az. 83 O 4755/20 Die, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

4. Innerhalb derselben Frist kann zur Streitwertfestsetzung Stellung genommen werden.

 

Gründe

I. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Würdigung durch das Landgericht ist frei von Rechtsfehlern (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Unter zutreffender Würdigung des Parteivortrags, der Gesamtumstände sowie der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht in 1. Instanz zu Recht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

II. A. Mit der Berufung wird nunmehr beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 13.247,75 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klagepartei zu bezahlen. Damit macht die Klagepartei den ihr entstandenen Schaden in Form einer Kaufpreiszahlung abzüglich eines von ihr erlangten Veräußerungserlöses sowie abzuziehender Nutzungsentschädigung geltend.

Erstinstanzlich hatte die Klagepartei einen Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen und weiterer Funktionen im vom Kläger erworbenen Pkw angekündigt (1), hilfsweise hierzu (1a) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 38.500 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw Audi Q7 3.0 V6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... sowie darüber hinaus die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden (1b)

Obwohl der Klagepartei bekannt war, dass sie den Pkw bereits im Dezember 2019 veräußert hatte, hat sie diesen Feststellungsantrag und hilfsweisen Zahlungsantrag auch noch im Termin vor dem Landgericht Ingolstadt am 14.01.2022 gestellt.

Nach Übergang in das schriftliche Verfahren hat die Klagepartei erstinstanzlich lediglich den Hilfsantrag 1a umgestellt dahingehend, die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 24.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen abzüglich einer von der Beklagten darzulegenden und zu beweisenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des vorgenannten Pkw.

Auch hat die Klagepartei vorgerichtlich mit Schreiben vom 07.12.2020 die Beklagte aufgefordert, den Kaufpreis zu erstatten und das Fahrzeug zurückzunehmen (Anlage K27), obwohl das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits seit knapp einem Jahr veräußert war. Sie macht nach wie vor im Berufungsverfahren Gebühren für eine vorgerichtliche Tätigkeit auf Grundlage eines Gegenstandswerts von 38.500 EUR, mithin des vollen Kaufpreises, geltend.

B. Der Kläger hat aufgrund Bestellung vom 12.08.2016 einen Pkw Audi Q7 3.0 TDI, erstzugelassen am 19.07.2012 mit einer Laufleistung von 72.500 km, einem Hubraum von 2967 cm3 und einer Leistung von 180 kW zum Kaufpreis von 38.500 EUR inklusive Umsatzsteuer erworben. Im Zeitpunkt der Veräußerung im Dezember 2019 betrug die Laufleistung 150.000 km.

C. Ansprüche wegen etwaiger Abschalteinrichtungen bestehen nicht.

1. Mit Ausnahme eines Thermofensters erweist sich der Vortrag der Klagepartei zu Abschalteinrichtungen als unbeachtlich. Dabei ist zunächst zu beachten, dass der klägerische Pkw im Jahr 2012 erstzugelassen wurde und unstreitig der Schadstoffnorm Euro5 unterliegt und nicht mit einem SCR-Katalysator versehen ist. Der Senat hält bereits den Vortrag zum Vorhandensein der Vorrichtungen für unbeachtlich, da ins Blaue hinein erfolgt.

2. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Ansp...

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