Leitsatz (amtlich)

Ein Knabe mit zwei männlichen Vornamen kann "Ciuraj", den Familiennamen eines Elternteils, als dritten Vornamen erhalten.

 

Normenkette

GG Art. 6 Abs. 2; BGB §§ 12, 1626 Abs. 1; PStG §§ 21, 48-49

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 03.06.2011; Aktenzeichen 722 UR III 38/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des AG München vom 3.6.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind deutsche Staatsangehörige und die gemeinsam sorgeberechtigten miteinander verheirateten Eltern des Betroffenen. Sie führen keinen Ehenamen. Sie haben ihrem 2010 geborenen Sohn den Familiennamen eines Elternteils und die Vornamen "L. M. Ciuraj" erteilt. Bei dem dritten Vornamen handelt es sich um den Familiennamen des anderen Elternteils. Das Standesamt hat die Beurkundung des dritten Vornamens abgelehnt und in allseitigem Einverständnis vorläufig nur die ersten beiden Vornamen beurkundet. Mit Schreiben vom 5.2.2011 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2, das Standesamt zur Beurkundung des dritten Vornamens anzuweisen. Dem ist die Beteiligte zu 3 (Standesamtsaufsicht) entgegengetreten. Sie vertritt im Kern die Auffassung, das Standesamt habe die Beurkundung zu Recht abgelehnt, da die Gefahr einer Beeinträchtigung des Kindeswohls durch Hänseleien oder einem ständigen Erläuterungs- und Rechtfertigungsdruck bestehe, die mit der Führung des streitgegenständlichen Familiennamens als Vornamen einhergehen könnten. Mit Beschluss vom 3.6.2011 hat das AG das Standesamt angewiesen, den dritten Vornamen des Kindes im Geburtenregister zu beurkunden. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das AG die Voraussetzungen für die beantragte Berichtigung des Geburtenregisters durch Beurkundung des dritten Vornamens "Ciuraj" als erfüllt angesehen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 48, 49 PStG).

1. Das Recht der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, § 1626 BGB), umfasst auch das Recht, diesem einen Namen zu geben. Die Entscheidung, welchen Namen das Kind tragen soll, haben die Eltern in Ausführung der Verantwortung für das Kind zu treffen. Dies betrifft auch die Wahl des Vornamens, der der Individualität einer Person Ausdruck verleiht, den Einzelnen bezeichnet und diesen von anderen unterscheidet. Es ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, ihrem Kind in freier gemeinsamer Wahl einen Namen zu bestimmen, den es sich selbst noch nicht geben kann. Mangels einschlägiger Bestimmungen im Namensrecht sind die Eltern in der Wahl des Vornamens grundsätzlich frei. Diesem Recht der Eltern zur Vornamenswahl darf allein dort eine Grenze gesetzt werden, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht. Der Staat ist zur Wahrnehmung seines Rechts nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG berechtigt und verpflichtet, das Kind als Grundrechtsträger vor verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu schützen. Für einen darüber hinausgehenden Eingriff in das Elternrecht auf Bestimmung des Vornamens für ihr Kind bietet Art. 6 Abs. 2 GG keine Grundlage (vgl. BVerfG NJW2009, 663 m.w.N.).

Dieses Recht auf freie, nur durch das Kindeswohl begrenzte Namenswahl der Eltern umfasst grundsätzlich auch die Befugnis zur Bestimmung von Namen, die - zumindest bisher - nur als Familiennamen gebräuchlich sind. Auch solche Namen sind nicht generell und ohne konkrete Beeinträchtigung des Kindeswohles als wählbare Vornamen ausgeschlossen. Dies ist nur dann der Fall, wenn der bisher nur als Familienname gebräuchliche Name nicht geeignet erscheint, dem Kind die mit dem Vornamen einhergehende Identitätsfindung und Individualisierung zu ermöglichen (BGH NJW 2008, 2500, 2501). Allein der Umstand, dass die Verwendung eines üblicherweise nur als Familienname bekannten Namens als Vorname Dritten gegenüber erklärungsbedürftig erscheinen kann, stellt dabei aber keine Besonderheit von Namen dar, die gemeinhin nur als Familiennamen gebräuchlich sind. Da das geltende Recht die Eltern nicht auf einen vorgegebenen Kanon von Vornamen beschränkt, umfasst deren Namenswahlrecht auch die Befugnis zur Bestimmung von im hiesigen Rechtskreis ungebräuchlichen oder der Phantasie entstammenden Vornamen. Demgemäß kann für Namen, die - zumindest bisher - nur als Familiennamen gebräuchlich sind, angesichts der Vielgestalt möglicher Familiennamen grundsätzlich nichts anderes gelten (BGH, a.a.O.).

Die Befugnis der Eltern zur Vornamenswahl findet nur dort eine Grenze, wo deren Rechtsausübung das Kindeswohl konkret zu beeinträchtigen droht. Dieses Erfordernis lässt sich aber nicht mit abstrakten Überlegungen begründen, sondern verlangt eine konkrete, d.h. im Einzelfall nachvollziehbar zu erwartende Beeinträchtigung (BGH, a.a.O.). Für die dabei zu treffende Prognoseentscheidung bedarf es daher der Feststellung konkreter Tatsachen, die den Schluss auf eine künftige Beeinträchtigung des Kindeswohls rechtfertigen.

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das AG zutreffe...

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