Leitsatz (amtlich)
1. Maßgebend für die Anwendung des pauschalen Stundenansatzes nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 VBVG ist die erstmalige Bestellung eines Betreuers, auch wenn zunächst ein ehrenamtlichen Betreuer und erst später ein Berufsbetreuer bestellt wird.
2. Wird nach dem Tod des Betreuers ein neuer Betreuer bestellt, kann dies jedenfalls dann nicht einer Erstbebestellung mit entsprechend erhöhtem Stundenansatz gleichgestellt werden, wenn die zeitliche Lücke innerhalb der Betreuung drei Monate nicht überschreitet.
Normenkette
VBVG § 5 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 15.11.2005; Aktenzeichen 13 T 21476/05) |
AG München (Aktenzeichen 711-XVII 02536/02) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 15.11.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Wert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 220,69 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Für den mittellosen und in einem Pflegeheim lebenden Betroffenen besteht seit 3.9.2002 eine Betreuung. Ihr Aufgabenkreis umfasst nunmehr: Aufenthaltsbestimmung; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heimvertrages; Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post. Jeweils bis zu ihrem Tod waren zunächst die Ehefrau bis 15.8.2003 und sodann die Tochter des Betroffenen bis 31.1.2005 nacheinander als ehrenamtliche Betreuerinnen tätig. Mit Beschl. v. 14.4.2005 bestellte das AG den nunmehrigen berufsmäßig tätigen Betreuer.
Für die Zeit vom 1.7.2005 bis 30.9.2005 beantragte der Betreuer, ausgehend von einem Betreuungsbeginn am 15.4.2005, eine Vergütung von 484,69 EUR aus der Staatskasse. Das AG setzte mit Beschl. v. 4.11.2005 jedoch die Vergütung nur auf 264 EUR fest, wobei es zugrunde legte, dass die Betreuer im maßgeblichen Zeitraum bereits seit 3 Jahren bestand.
Das LG bestätigte diese Entscheidung mit Beschl. v. 15.11.2005. Hiergegen wendet sich der Betreuer mit seiner zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig; insb. wurde sie fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt: Das AG habe zu Recht die Vergütung nur auf 264 EUR festgesetzt. Maßgebend sei die Erstanordnung der Betreuung am 3.9.2002. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des § 5 VBVG. Der Bundesrat habe nämlich in der Begründung seines Gesetzesentwurfs sinngemäß ausgeführt: Die als Grundlage der Pauschalierung ausgewerteten Akten enthielten bereits besondere Betreuungssituationen, so dass diese in die Pauschalen eingeflossen seien. Der mit dem Betreuerwechsel einhergehende Mehraufwand sei dabei schon berücksichtigt. Maßgebend für die Anwendung der Pauschalen sei die erstmalige Bestellung eines Betreuers, auch wenn es sich hierbei um einen ehrenamtlichen Betreuer handle und erst später ein Berufsbetreuer bestellt werde. Bei zeitlichen Lücken in der Betreuung sei im Einzelfall zu klären, ob eine Erstbetreuung vorliege. Die Lücke von ca. 2 ½ Monaten führe nicht zu einer Erstbetreuung, da keine Aufhebung der Betreuung vorgelegen habe; vielmehr sei die Betreuung durchgehend angeordnet gewesen und habe nur aus tatsächlichen Gründen für eine kurze Zeit nicht ausgeführt werden können.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Der dem Betreuer zu vergütende Zeitaufwand ist aufgrund der Neuregelung durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz zum 1.7.2005 nach einem pauschalierten Stundenansatz zu bestimmen (§ 5 VBVG). Dieser beträgt nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift für einen mittellosen Betreuten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim hat, in den ersten drei Monaten der Betreuung viereinhalb Stunden monatlich. Im vierten bis sechsten Monat verringert sich der monatliche Stundenansatz auf dreieinhalb, im siebten bis zwölften Monat auf drei Stunden. Für anschließende Zeiträume ist der Zeitaufwand mit zwei Stunden im Monat anzusetzen.
b) Bereits der Gesetzeswortlaut legt die Auslegung nahe, dass hierbei - ebenso wie für die jeweiligen Stundenansätze in den übrigen Fallkonstellationen des § 5 VBVG - auf den Lauf der Betreuung als solcher abzustellen ist, unabhängig davon, ob diese von Anfang an von dem anspruchstellenden Betreuer geführt wurde (ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2006 - 2 W 240/05; Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., Anh. zu § 1836 - § 5 VBVG Rz. 6 f.)
c) Auch die Systematik des Gesetzes zwingt nicht etwa dazu, demgegenüber erst den Zeitpunkt der Übernahme der Betreuung durch einen Berufsbetreuer für maßgebend zu halten (a.A. Deinert, JurBüro 2005, 285 [286]; BtPrax Spezial 2005, 13 [15]). Zwar regeln die Vorschriften des VBVG den Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatz berufsmäßig tätiger Vormünder und Betreuer. Das schließt aber nicht denknotwendig aus, hierbei mit der Dauer der Betreuung an ein Merkmal anzuknüpfen, das insoweit "neutral" ist, d.h. auch ...