Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Rechtsanwalt in einem Verfahren um die Bestellung eines vorläufigen Betreuers Beschwerde namens einer Bevollmächtigten eingelegt, deren Vollmacht das Gericht wegen Bedenken gegen ihre Zuverlässigkeit nicht als ausreichende Alternative zur Betreuung ansah, und erhebt er gegen die endgültige Betreuung mit gleicher Zielrichtung Beschwerde namens der Betroffenen selbst, verstößt er gegen das anwaltsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen.

2. Die hieraus folgende Nichtigkeit des anwaltlichen Dienstleistungsvertrags führt aber nicht zur Unwirksamkeit der ihm von der Betroffenen erteilten Verfahrensvollmacht, so dass das in ihrem Namen eingelegte Rechtsmittel nicht als unzulässig verworfen werden kann.

 

Normenkette

BRAO § 43a Abs. 4; BGB §§ 134, 1896 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 11.05.2009; Aktenzeichen 13 T 7052/09)

AG München (Aktenzeichen 714 XVII 478/09)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG München I vom 11.5.2009 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren und sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Nach vorangegangener vorläufiger Betreuung bestellte das AG am 26.3.2009 für die Betroffene eine Rechtsanwältin als berufsmäßige Betreuerin für vorwiegend vermögensbezogene Aufgaben und eine weitere - ehrenamtliche - Betreuerin, der die Betroffene auch mehrere Vollmachten ausgestellt hatte, für eher personenbezogene Aufgaben und ordnete einen Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis Vermögenssorge an.

Hiergegen hat die Betroffene am 14.4.2009 durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, der im vorangegangenen Beschwerdeverfahren wegen der vorläufigen Betreuung die weitere Betreuerin vertreten hatte, Beschwerde eingelegt, die vom LG am 11.5.2009 verworfen wurde.

Mit ihrer weiteren und sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Betroffene ihr Ziel der Aufhebung der Betreuung weiter.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Angelegenheit an das LG.

1. Das LG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass eine wirksame Be-schwerdeeinlegung nicht vorliege, weil die Prozessvollmacht des Verfahrenbevollmächtigten wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB i.V.m. § 43a Abs. 4 BRAO nichtig sei. Der Verfahrensbevollmächtigte habe das Beschwerdeverfahren gegen die vorläufige Betreuung noch im Namen der Bevollmächtigten geführt und die vorliegende Beschwerde im Namen der Betroffenen eingelegt. Die Beschwerde werde unverändert darauf gestützt, dass eine Betreuung entbehrlich sei, weil die Betroffene jedenfalls bei Vollmachtserteilung geschäftsfähig gewesen sei. Dies möge zwar im Interesse der Bevollmächtigten liegen, die ohne Betreuung und Einwilligungsvorbehalt unkontrollierten Zugriff auf das Vermögen der Betroffenen hätte, nicht jedoch im wohlverstandenen Vermögensinteresse der Betroffenen. Dies gelte umso mehr angesichts ungeklärter Positionen im Haushaltsbuch und eines Fehlbetrags von rund 40.000 EUR, der aus der Zeit nach Vollmachtserteilung herrühre und dessen Verbleib trotz intensiver Bemühungen der Vermögensbetreuerin bislang nicht habe geklärt werden können. Das objektive Vermögensinteresse der Betroffenen erachte die Kammer als maßgeblich, da die Betroffene zu einer freien Willensbestimmung nach dem Gutachten Dr. S. vom 29.1.2009 nicht in der Lage sei und sie nach dem Akteninhalt zu dieser Frage keinen natürlichen Willen geäußert habe.

Die effektive Durchsetzung des Verbots der Wahrnehmung widerstreitender Interessen gebiete es, die Nichtigkeit nicht generell auf den anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zu beschränken und die Prozessvollmacht hiervon auszunehmen. Ein überwiegendes Interesse der Rechtssicherheit oder der Rechtsbeständigkeit von Prozesshandlungen, mit dem die Beschränkung der Nichtigkeit auf den Anwaltsvertrag begründet werde, sei vorliegend nicht einschlägig. Das vorliegende Verfahren sei keine echte Streitsache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Beteiligten stünden sich nicht als Prozessgegner gegenüber. Zudem gelte der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG. Neue Umstände seien zu berücksichtigen, so dass die Entscheidungen im Verfahren auch nicht in materielle Rechtskraft erwüchsen. Anders als im Zivilprozess sei das Verfahrensrecht hier gerade nicht darauf angewiesen, dass die von den Parteien und ihren Vertretern abgegebenen Erklärungen und die von ihnen vorgenommen Prozesshandlungen grundsätzlich Geltung behielten.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Ohne Rechtsfehler hat das LG festgestellt, dass wegen der Vertretung widerstreitender Interessen der Verfahrenbevollmächtigte gegen § 43a Abs. 4 BRAO verstoßen hat.

Diese Tatsachenwürdigung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie von irrigen Grundlagen ausgeht oder gegen Denkgesetze ...

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