Leitsatz (amtlich)

1. Die allgemeinen Grundsätze über die Zulässigkeit von Grundbucheinsicht finden auch im Verhältnis zwischen den Sondereigentümern einer Wohnungseigentümergemeinschaft Anwendung.

2. Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung des Eigentums oder eines dinglichen Rechts am Grundstück haben regelmäßig ein aus ihrer Rechtsstellung fließendes, berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht.

3. Berechtigte Zweifel am Fortbestehen eines das Einsichtsinteresse begründenden Anspruchs können eine Glaubhaftmachung erfordern; an die Annahme eines konkludent erklärten Verzichts des Berechtigten sind aber strenge Anforderungen zu stellen.

 

Normenkette

GBO § 12 Abs. 1, 3; GBV § 46 Abs. 1; WGV § 1

 

Verfahrensgang

AG München - Grundbuchamt (Beschluss vom 14.10.2015; Aktenzeichen PA-13192-19)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des AG München - Grundbuchamt - vom 14.10.2015 aufgehoben.

II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, der Beteiligten über deren Verfahrensbevollmächtigten die mit Schriftsatz vom 28.8.2015 begehrte Grundbucheinsicht in das Wohnungseigentumsgrundbuch für Pasing Blatt 13192 durch Übersendung eines - unbeglaubigten (einfachen) - Grundbuchauszugs zu gewähren.

 

Gründe

I. Die Beteiligte war zusammen mit ihrem Ehemann als hälftige Miteigentümerin von ungeteiltem Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Unter Übertragung von Miteigentumsanteilen auf ihren Sohn wurde zu notarieller Urkunde vom 9.6.1980 durch vertragliche Einräumung von Sondereigentum Wohnungseigentum in der Weise begründet, dass einem Miteigentumsanteil von 3/5 das Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten Doppelhaushälfte und einem Miteigentumsanteil von 2/5 das Sondereigentum an der mit Nr. 1 bezeichneten Doppelhaushälfte zugewiesen wurde.

In Abschnitt C. der Notarurkunde ("Weitere Bestimmungen") vereinbarten die Urkundsbeteiligten unter § 4 folgenden bedingten Rückübertragungsanspruch:

Die Veräußerer bzw. der Überlebende der Veräußerer sind auf Lebenszeit berechtigt, die unentgeltliche Übertragung des Wohnungseigentums des Erwerbers auf sich zum Miteigentum je zur Hälfte bzw. auf sich allein zu verlangen, wenn

a)...

b) der Erwerber ohne ihre Zustimmung bzw. ohne Zustimmung des Überlebenden von ihnen den Vertragsgegenstand veräußern oder belasten sollte.

Der Erwerber bewilligt, zur Sicherung dieses bedingten Anspruchs eine Vormerkung für die Veräußerer je zur Hälfte bzw. zur Alleinberechtigung des Überlebenden der Veräußerer im Grundbuch einzutragen.

Die Aufteilung wurde im Grundbuch vollzogen. Die Beteiligte und ihr Ehegatte wurden als je hälftige Miteigentümer der Einheit Nr. 2, ihr Sohn als Eigentümer der Einheit Nr. 1 im Grundbuch eingetragen und der Rückübertragungsanspruch durch Eintragung der Vormerkung gesichert.

In der notariellen Verhandlung am 16.6.2008 bestellte der Eigentümer der Einheit Nr. 1 in Anwesenheit der Beteiligten und ihres Ehemannes an seinem Anteil eine Finanzierungsgrundschuld. Darüber hinaus gaben die Urkundsbeteiligten folgende Erklärung ab:

11. Verjährung des Rückgewähranspruchs

Der Rückgewähranspruch verjährt in 30 Jahren seit Fälligkeit des Anspruchs.

12. Löschung

Herr ... und Frau ... (die Beteiligte und ihr Ehemann) bewilligen und beantragen die Löschung der in Abt. II. zu ihren Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung.

Die Auflassungsvormerkung wurde am 20.6.2008 im Grundbuch gelöscht.

Im August 2015 hat die Beteiligte, anwaltlich vertreten, das Grundbuchamt um Übersendung eines vollständigen Grundbuchauszugs für das Grundstück einschließlich eines Auszugs aus dem Wohnungsgrundbuch über die Einheit Nr. 1 ersucht. Ihr Sohn habe seinen Anteil ohne Genehmigung teilweise weiter übertragen und außerdem möglicherweise zusätzlich belastet. Um das Ausmaß der bei Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs zu übernehmenden Grundstücksbelastungen abzuklären, benötige sie Kenntnis vom Grundbuchinhalt.

Die Urkundsbeamtin des Grundbuchamts hat lediglich den die Einheit Nr. 2 betreffenden Grundbuchausdruck übersandt und ein berechtigtes Interesse an der Einsicht auch in das andere Wohnungsgrundbuch verneint. Mit Beschluss vom 14.10.2015 hat die Rechtspflegerin die weitergehende Einsicht versagt. Die am 16.6.2008 erklärte Löschungsbewilligung sei als Verzicht auf den schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruch auszulegen, weshalb ein berechtigtes Interesse an der begehrten Einsicht nicht bestehe.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der Beschwerde, mit der sie den Fortbestand des Rückübertragungsanspruchs behauptet und die Auslegung des Grundbuchamts als unzutreffend beanstandet. Anlass für die Abgabe der Löschungsbewilligung sei das Verlangen der kreditgebenden Bank gewesen, deren Sicherheit den ersten Rang einzuräumen.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen und seine Auslegung ergänzend auf den Umstand gestützt, dass zur Erreichung des behaupteten Ziels ein Rangrücktritt ausgereicht hätte.

II. Die Beschwerde gegen die Versagung von Grundbucheinsicht über den gewährt...

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