Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld als Einkommen
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist Kindergeld Einkommen des Antragstellers.
Normenkette
ZPO §§ 114-115, 120 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Beschluss vom 04.09.2003; Aktenzeichen 3 F 533/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Rosenheim vom 4.9.2003 mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Antragstellerin auf die Kosten der Prozessführung aus ihrem Einkommen monatliche Raten i.H.v. 45 Euro anstelle der im Beschluss vom 4.9.2003 festgelegten 75 Euro zu entrichten hat.
2. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Gründe
Mit Beschluss des AG – FamG – Rosenheim vom 24.4.2003 wurde der Antragstellerin für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe mit einer monatlichen Ratenzahlung von 45 Euro bewilligt. Das FamG ging dabei von dem vom Antragsgegner gezahlten Barunterhalt i.H.v. insgesamt 1.554 Euro für die Antragstellerin und die beiden Kinder, die bei ihr leben, aus sowie von dem monatlichen Kindergeld i.H.v. 308 Euro. Davon machte das FamG Abzüge i.H.v. 157 Euro (halber Eckregelsatz Mehrbedarf für Erwerbstätige); ferner wurden der Parteifreibetrag i.H.v. 360 Euro, die Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 750 Euro sowie ein sonstiger Unterhaltsfreibetrag i.H.v. 462 Euro in Abzug gebracht.
Auf Antrag der Antragstellerin, die Ratenzahlungsverpflichtung aufzuheben, weil sie selbst lediglich über einen Ehegattentrennungsunterhalt i.H.v. 1.035 Euro verfüge, erließ der Rechtspfleger beim AG Rosenheim am 4.9.2003 einen Beschluss, mit dem er die von der Antragstellerin zu leistenden Ratenzahlungen von 45 auf 75 Euro erhöhte, obwohl sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin nicht geändert hatten. Demgemäß hätte die Entscheidung des Rechtspflegers nach § 120 Abs. 4 ZPO nicht ergehen dürfen.
Demgemäß ist von der dem Beschluss vom 24.4.2003 zugrunde liegenden Berechnung auszugehen. In diesem Beschluss wurde der Antragstellerin zu Unrecht der vom Antragsgegner gezahlte Kindesunterhalt als Einkommen zugerechnet, zum anderen wurde, allerdings fehlerhaft, der halbe Eckregelsatz in Abzug gebracht, obwohl die Antragstellerin nicht berufstätig ist; darüber hinaus wurde ein sonstiger Unterhaltsfreibetrag i.H.v. 462 Euro in Abzug gebracht, ohne diesen zu erläutern.
Der Senat vertritt jedoch die Ansicht, dass das AG in seinem Beschluss vom 24.4.2003 zu Recht das staatliche Kindergeld i.H.v. 308 Euro zum Einkommen der Antragstellerin hinzugerechnet hat. Das Kindergeld ist grundsätzlich Einkommen desjenigen Elternteils, der es erhält. Es steht nicht den Kindern, sondern im vorliegenden Fall der Antragstellerin zu. Dementsprechend ist dem Einkommen der Antragstellerin das von ihr bezogene Kindergeld in voller Höhe hinzuzurechnen. Bei der Ermittlung des Prozesskostenhilfeeinkommens sind die unterhaltsrechtlichen Verrechnungsgesichtspunkte nicht zu berücksichtigen. Der Senat schließt sich daher in dieser in der Rspr. umstrittenen Frage der Auffassung des OLG Hamm (OLG Hamm v. 7.5.1991 – 3 WF 97/91, FamRZ 1991, 1209) bzw. des OLG Köln (OLG Köln v. 15.2.1993 – 2 W 15/93, MDR 1993, 805 = OLGReport Köln 1993, 159 = FamRZ 1993, 1333) an, ebenso der bereits vom OLG München mit Beschluss vom 17.11.1994 vertretenen Auffassung (OLG München, Beschl. v. 17.11.1994 – 12 WF 1049/94, OLGReport München 1995, 72 = FamRZ 1995, 942). Das staatliche Kindergeld wird nämlich den unterhaltspflichtigen Eltern zur Erleichterung ihrer Unterhaltslast gewährt und ist deshalb Teil ihres Einkommens. Bei der Prozesskostenhilfe ist es deshalb beim Bezugsberechtigten in voller Höhe als Einkommen anzusetzen. Der Senat hat sich insoweit auch von der Überlegung leiten lassen, dass die Prozesskostenhilfe vom Gesetzgeber als Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege konzipiert worden ist. In diesem Bereich aber ist es anerkannt, dass das Kindergeld auf den Bedarf anzurechnen ist. Nach Überzeugung des Senats kann für die Prozesskostenhilfe nichts anderes gelten. Die andersartige Behandlung im materiellen Unterhaltsrecht rechtfertigt sich aus den dort gegebenen besonderen Bewertungskriterien.
Da der Senat deshalb von einer Entscheidung des BGH (FamRZ 1997, 806 f.) bzw. verschiedener OLG (z.B. OLG Hamm v. 13.7.1999 – 7 WF 167/99, FamRZ 2000, 1093) abweicht, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO ist deshalb geboten.
Fundstellen
Haufe-Index 1108333 |
FamRZ 2004, 382 |
MDR 2004, 513 |
OLGR-MBN 2004, 32 |