Leitsatz (amtlich)

Dem nach Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention ausgestellten Reiseausweis, der den einschränkenden Vermerk enthält, dass die Personalien auf eigenen Angaben des Inhabers beruhen, kommt grundsätzlich keine volle Legitimationswirkung für Personenstandseintragungen zu (Abgrenzung zu OLG Hamm StAZ 2008, 285).

 

Normenkette

PStG § 48; FlüAbk Art. 28 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Passau (Beschluss vom 05.04.2011; Aktenzeichen 18 UR III 5/10)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Amtgerichts Passau vom 5.4.2011 aufgehoben.

II. Der Antrag vom 7.12.2010 auf Berichtigung des Personenstandseintrags wird abgewiesen.

 

Gründe

I. Die Geburt des am xxx geborenen Kindes ist im Geburtenregister des Standesamts F. (Bayern) beurkundet. Als Mutter des Kindes ist im Geburtseintrag die Antragstellerin mit dem Zusatz eingetragen: "Identität nicht nachgewiesen".

Am 7.12.2010 legte die Mutter des Kindes einen am 11.10.2010 nach Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) auf ihren Namen ausgestellten Reiseausweis vor. Dieser enthält unter der Rubrik "Amtliche Einträge" den Vermerk: "Die Personendaten beruhen auf den eigenen Angaben der Antragstellerin." Sie beantragte gleichzeitig beim Standesamt die Berichtigung des Registereintrags.

Das Standesamt F. schloss sich dem Antrag an und beantragte die gerichtliche Berichtigung des Eintrags durch Streichung des Vermerks: "Identität nicht nachgewiesen".

Die Standesamtsaufsicht beim Landratsamt F. wandte sich gegen die beantragte Berichtigung.

Mit Beschluss vom 5.4.2011 ordnete das AG die Streichung des Vermerkes an.

Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Legitimationswirkung des nach Art. 28 GFK ausgestellten Reiseausweises auch durch den Zusatz, dass die Angaben zu den Personendaten auf eigenen Angaben des Antragstellers beruhten, nicht eingeschränkt werde.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Standesamtsaufsicht vom 3.6.2011.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Nach § 48 PStG darf ein abgeschlossener Registereintrag abgesehen von den in § 47 PStG genannten Fällen, die hier nicht vorliegen, nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch ein Nachweis der Unrichtigkeit des Personenstandsregisters. Ein solcher wurde hier nicht geführt, da der nach Art. 28 GFK ausgestellte Reiseausweis der Beschwerdegegnerin, der den Zusatz enthält, die Personendaten beruhten auf den eigenen Angaben der Antragstellerin, keine uneingeschränkte Legitimationswirkung hat und als Identitätsnachweis nicht ausreicht.

Der abweichenden Ansicht des AG Nürnberg (StAZ 2009, 339) kann nicht gefolgt werden.

Richtig ist zwar, dass der nach Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention ausgestellte Reiseausweis grundsätzlich die Funktion hat, die Identität des Ausweisinhabers zu bescheinigen und in weitem Umfang einen nationalen Reisepass ersetzen soll, so dass für den nationalen Pass ersetzenden Reiseausweis nach Art. 28 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention in der Regel nichts anderes gelten kann wie für den nationalen Reisepass (BVerwG NVWZ 2004, 1250). Das AG Nürnberg schließt aber pauschal aus dem Vorliegen eines solchen Ausweises auf die entsprechende Legitimationswirkung und verkennt dabei die Rechtsprechung des BVerwG. Wie das BVerwG in der zitierten Entscheidung nämlich ausgeführt hat, kann nicht bei jeglichem Zweifel die Erteilung eines entsprechenden Reiseausweises nach Art. 28 GFK verweigert werden. Dies ist nur möglich, wenn eine zumutbare Mitwirkung des Flüchtlings unterbleibt oder unzureichend ist. Soweit eine Klärung der Identität wegen Unzumutbarkeit der Mitwirkung oder trotz der Mitwirkung des Flüchtlings nicht möglich ist, darf der Reiseausweis nicht verweigert werden. In einem solchen Fall kann jedoch in der im Reiseausweis enthaltenen Rubrik, aufgrund welcher Unterlagen der Ausweis ausgestellt wird, der Vermerk angebracht werden, dass die Personalien auf eigenen Angaben beruhen (BVerwG, a.a.O.). Damit kann aus dem Vorliegen eines Reiseausweises nach Art. 28 GFK entgegen der Ansicht des AG Nürnberg gerade nicht zwingend geschlossen werden, dass es an der Identität des Reiseausweisinhabers keine Zweifel gibt.

Vorliegend bringt die Beschwerdegegnerin selbst unter Bezugnahme auf Allgemeine Hinweise der Präsidenten der OLG München, Nürnberg und Bamberg vor, dass ihr die Vorlage von Urkunden aus Somalia nicht möglich ist. Gleiches bestätigt auch die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 5.11.2010. Danach funktionieren in Somalia die Verwaltungen nicht mehr und es gibt keine somalische Behörde, die imstande wäre, offizielle Dokumente auszustellen. Gleiches gilt nach dem Schreiben des Bundesinnenministeriums vom 27.11.2008 auch für Bestätigungen durch die somalische Botschaft in Berlin.

Diese Informationen bestätigen, dass die Antragstellerin nicht in der Lage war, ihre Identität nachzuweisen, und der Ausweis nach Art. 28 GFK lediglich aufgrund ihrer Ang...

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