Leitsatz (amtlich)

Für auf § 64 Satz 1 GmbHG gestützte Zahlungsansprüche gegen den Geschäftsführer einer GmbH ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) am Sitz der Gesellschaft begründet.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 29 Abs. 1; GmbHG § 64

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 2 HkO 5110/16)

 

Tenor

1. Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der L.-GmbH. Er begehrt mit seiner zum LG München II (Az.: 2 HK O 5110/16) erhobenen Klage von den beiden Antragsgegnern - teilweise als Gesamtschuldner - Schadensersatz. Zur Begründung trägt er vor, die beiden Antragsgegner hätten als frühere Geschäftsführer der L.-GmbH auch noch nach Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Leistungen erbracht. Gegen sie bestünden daher Ansprüche nach § 64 Satz 1 GmbHG.

Der Antragsteller und der Antragsgegner zu 2 haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im LGbezirk München II, der Antragsgegner zu 1 im LGbezirk München I. Die Gemeinschuldnerin hatte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihren Sitz in München.

Der Antragsteller hat Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gestellt.

II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Eine Bestimmung nach dieser Vorschrift kann grundsätzlich nicht erfolgen, wenn ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht oder bestanden hat (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 36 Rn. 15). Dies ist hier der Fall.

Es besteht ein gemeinsamer Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO).

Der Antragsteller macht gegen die Antragsgegner Ersatzansprüche wegen der Verletzung ihrer Pflichten als Geschäftsführer geltend, weil sie pflichtwidrig nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch Zahlungen geleistet hätten (§ 64 GmbHG). Der auf Wiederauffüllung der Masse gerichtete Ersatzanspruch eigener Art ist am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen (Haas/Kolmann/Pauw in Gottwald Insolvenzrechts-Handbuch 5. Aufl. § 92 Rn. 192; Flöther/Korb ZIP 2012, 2333/2336; a.A. Haas in Baumbach/Hueck GmbHG 21. Aufl. § 64 Rn. 30; zweifelnd OLG Stuttgart vom 16.11.2015, 14 AR 2/15 nach juris; vgl. zu § 43 Abs. 2 GmbHG BGH NJW-RR 1992, 800/801). Dem steht nicht entgegen, dass die Bestimmung im Ergebnis den Insolvenzgläubigern zugute kommt (so Haas in: Baumbach/Hueck GmbHG 21. Aufl. § 64 Rn. 30, der davon ausgeht, dass deshalb kein vertraglicher Anspruch vorliege). Denn Gläubiger des Anspruchs nach dem Gesetz sind nicht die Insolvenzgläubiger sondern ausdrücklich die mit den Geschäftsführern durch den Anstellungsvertrag in vertraglichen Beziehungen stehende Gesellschaft. Diese wird durch eventuelle Rückzahlungen in den Stand versetzt, ihren Verbindlichkeiten so weit wie möglich nachzukommen. Die Vorschrift knüpft daher - ebenso wie § 42 Abs. 2 GmbHG - an die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und den Geschäftsführern an. Deshalb besteht für auf § 64 Satz 1 GmbHG gestützte Ansprüche ebenso wie für auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützte Ansprüche ein gemeinsamer Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft. Damit steht für sämtliche Streitgenossen ein einheitlicher Gerichtsstand zur Verfügung. Unter diesen Umständen scheidet eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren gehört zum Rechtszug.

III. Gegen diese Entscheidung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen (Hk-ZPO/Bendtsen 7. Aufl. § 37 Rn. 6). Die Frage, ob für Ansprüche, die nach § 64 Satz 1 GmbHG geltend gemacht werden, ein Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft besteht (§ 29 ZPO), ist für eine unbestimmte Anzahl von Fällen von Bedeutung und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

IV. Es ergeht folgende Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann Rechtsbeschwerde eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Bundesgerichtshof in Karlsruhe Herrenstraße 45a 76133 Karlsruhe (Postanschrift: 76125 Karlsruhe)

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung.

Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift eingelegt.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde.

Die Beteiligten müssen sich durch eine bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Die Rechtsbeschwerde ist zudem binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt ebenfalls mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1087...

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