Leitsatz (amtlich)
Die Reisekosten einer Partei zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sind regelmäßig zu erstatten (Abweichung von der bisherigen Rspr. des Senats).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 2, § 104
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 23.05.2003; Aktenzeichen 1 O 4343/00) |
Tenor
Das LG Traunstein wird angewiesen, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.5.2003 unter Berücksichtigung der Gründe des vorliegenden Beschlusses abzuändern und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich dagegen, dass die Reisekosten ihres Ehemannes von … nach … zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 20.3.2003 nicht anerkannt wurden.
II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Dabei geht der Senat nunmehr in Abweichung von seiner bisherigen Rspr. (z.B. OLG München, Beschl. v. 7.5.2003 – 11 W 1259/03) davon aus, dass regelmäßig die Reisekosten einer Partei zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung zu erstatten sind, weil die Anwesenheit zur zweckentsprechenden Wahrung der eigenen Rechte zweckentsprechend und notwendig ist.
Der Senat folgt damit der mittlerweile in der Rspr. h.M. zur Erstattung von Reisekosten der Partei (OLG Stuttgart v. 18.3.1992 – 8 W 433/91, RPfleger 1992, 448; JurBüro 2002, 537 – Fahrt zum BGH; OLG Düsseldorf v. 2.5.1996 – 2 W 17/96, NJW-RR 1996, 1342; OLG Hamm v. 24.4.1991 – 23 W 588/90, MDR 1992, 196 = RPfleger 1992, 83; OLG Koblenz v. 16.8.1994 – 14 W 415/94, MDR 1995, 424; OLG Köln v. 11.8.1992 – 17 W 29/91, OLGReport Köln 1992, 406 = MDR 1993, 182; OLG Brandenburg v. 25.5.2000 – 12 W 17/00, MDR 2000, 1216; KG Anwbl. 1987, 239 – für Eilverfahren; a.A.: es ist auf den Einzelfall abzustellen, wobei kein zu strenger Maßstab anzuwenden ist OLG Schleswig JurBüro 92, 407; ähnlich von Eicken, Die Kostenfestsetzung, 17. Aufl. Anm. B 360).
Für dieses Ergebnis spricht die zunehmend größere Bedeutung, die der Anwesenheit der Partei im Termin von der ZPO beigemessen wird. Die von der ZPO angestrebte Konzentration, Rationalisierung und Beschleunigung des Prozesses lässt sich leichter erreichen, wenn die Partei in der mündlichen Verhandlung zugegen ist. Sie kann sofort Informationen, die möglicherweise nach den schriftsätzlichen Vorträgen noch fehlen, erteilen und Missverständnisse beseitigen. Weiter kann der neutrale Richter bei den Parteien unmittelbar darauf hinwirken, dass diese einen Vergleich schließen. Besonders stark kommt die vom Gesetzgeber gewollte Einbindung der Parteien in § 278 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck. Für die Güteverhandlungen sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. Nicht nur Güteverhandlungen, sondern auch die übrigen mündlichen Verhandlungen bieten Gelegenheit, eine Einigung zu erzielen.
Eine Teilnahme der Partei ist deshalb im Regelfall als notwendig anzusehen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn von vornherein abzusehen ist, dass die Partei weder im Hinblick auf eine Informationserteilung noch auf eine gütliche Einigung in dem angeordneten Termin etwas zur Prozessförderung wird beitragen können, etwa weil es sich nur um einen Verkündungstermin handelt oder weil aufgrund des vorausgegangenen Verhaltens des Gegners mit einem Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil zu rechnen ist. Die Reisekosten sind darüber hinaus auch dann nicht zu erstatten, wenn sie in einem Missverhältnis zu der persönlichen bzw. wirtschaftlichen Bedeutung des Prozesses für die Partei stehen (OLG Stuttgart v. 18.3.1992 – 8 W 433/91, RPfleger 1992, 448; OLG Hamm v. 24.4.1991 – 23 W 588/90, MDR 1992, 196 = RPfleger 1992, 83; OLG Brandenburg v. 25.5.2000 – 12 W 17/00, MDR 2000, 1216; OLG Köln v. 11.8.1992 – 17 W 29/91, OLGReport Köln 1992, 406 = MDR 1993, 182; OLG Düsseldorf v. 2.5.1996 – 2 W 17/96, NJW-RR 1996, 1342).
In der Rspr. werden noch weiter als Ausnahmegründe genannt, dass es sich erkennbar nur um Rechtsfragen handelt (OLG Düsseldorf v. 2.5.1996 – 2 W 17/96, NJW-RR 1996, 1342 – für die Verweisung; OLG Koblenz v. 16.8.1994 – 14 W 415/94, MDR 1995, 424), dass es sich bereits um einen zweiten Termin handelt und im ersten ausführlich die Sach- und Rechtslage besprochen worden ist (OLG Hamm v. 24.4.1991 – 23 W 588/90, MDR 1992, 196 = RPfleger 1992, 83), dass es sich um eine Routineangelegenheit handelt hat (OLG Hamm v. 24.4.1991 – 23 W 588/90, MDR 1992, 196 = RPfleger 1992, 83; OLG Köln v. 11.8.1992 – 17 W 29/91, OLGReport Köln 1992, 406 = MDR 1993, 182; OLG Düsseldorf v. 2.5.1996 – 2 W 17/96, NJW-RR 1996, 1342).
Bei der Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist eine ex-ante-Betrachtung angebracht (OLG Düsseldorf v. 2.5.1996 – 2 W 17/96, NJW-RR 1996, 1342).
Unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte kommt eine Ausnahme vom Regelfall in Betracht.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass vor dem erkennenden LG vor dem 20.3.2003 noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte. Es hat auch nicht fern gelegen, dass nunmehr, nachdem das Sachverständigengutachten vorlag, Gespräche darüber stattfinden würden, wie e...