Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren die Parteien, dass der Schiedsspruch per Einschreiben mit Rückschein zu übermitteln ist, kommt es in der Regel nicht auf den Empfangswillen des Adressaten an.
2. Die Anforderungen an Schiedsklauseln, die Beschlussmängelstreitigkeiten einschließen, gelten nicht auch für Schiedsklauseln, die nur allgemeine Feststellungsklagen der Gesellschafter untereinander und gegen die Gesellschaft betreffen.
3. Die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, der zu früheren in Rechtskraft erwachsenen gerichtlichen Entscheidungen in Widerspruch steht (hier: Feststellung der Mehrheitsverhältnisse für die Beschlussfassung im Beirat), verstößt nicht zwingend gegen den ordre public.
Normenkette
BGB §§ 130, 138-139, 175; ZPO § 1025 Abs. 1, § 1054 Abs. 4, § 1059 Abs. 2, §§ 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4
Nachgehend
Tenor
I. Das aus den Schiedsrichtern xxx, Rechtsanwalt xxx und xxx bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und den Antragsgegnern als Schiedsbeklagten in Ingolstadt geführen Schiedsverfahren am 8.8.2012 folgenden Schiedsspruch.
1. Es wird festgestellt, dass der Beirat der Schiedsbeklagten zu 5 für die Zustimmung zu den folgenden Maßnahmen und Geschäften der Geschäftsführung der Schiedsbeklagten zu 5 zuständig ist: (Schiedsklageantrag zu 1)
a) Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts der Schiedsbeklagten zu 5
b) Aufstellung und Änderung der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung der Schiedsbeklagten zu 5
c) Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und Änderungen der Vertretungsbefugnis bei allen xxx und xxx Gesellschaften
d) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten durch die Schiedsbeklagte zu 5
e) Erwerb und Veräußerung von Unternehmen, Betrieben oder Teilbetrieben, Übernahme von oder Verfügung über Beteiligungen durch die Schiedsbeklagte zu 5
f) Abschluss von Mietverträgen mit einer Laufzeit von über fünf Jahren und einem jährlichen Verpflichtungsvolumen von mehr als DM 300.000 durch die Schiedsbeklagte zu 5
g) Liquidation der Schiedsbeklagten zu 5
h) Billigung des Jahresbudgets der Schiedsbeklagten zu 5 (insbesondere Umsatz-, Investitions-, Personal- und Finanzplan).
2. Es wird festgestellt, dass Beschlüsse des Beirats zu den unter Ziff. I aufgeführten Angelegenheiten der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen nach Köpfen bedürfen (Schiedsklageantrag zu 3).
3. (...)
4. Auf die Schiedswiderklage
a) wird festgestellt, dass die Schiedsklägerin und Schiedswiderbeklagte (xxx) an die Vereinbarungen aus dem Gesellschafterbeschluss der Schiedsbeklagten zu 5 vom 18.1.1990 einschließlich der darin enthaltenen Verpflichtungen der xxx gebunden ist;
b) wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit erledigt ist, als die Bindung der Schiedsklägerin an die Verpflichtungen der xxx aus den Vereinbarungen vom 28.12.1999 (Urkunde A.Prot. 1999/250 des Notars Dr. XXX, Basel), vom 25.9.2002 und vom 17.12.2002 (Urkunde Nr. 1507/2002 des Notars Dr. XXX, Düsseldorf) festgestellt werden sollte.
c) Die weiter gehende Schiedswiderklage (Schiedswiderklageantrag zu 2) wird abgewiesen.
II. Dieser Schiedsspruch wird für die Antragstellerin für vollstreckbar erklärt.
III. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegner.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens bildet die Vollstreckbarerklärung eines am 8.8.2012 in Ingolstadt ergangenen inländischen Schiedsspruchs.
1. Die Antragstellerin und die Antragsgegner zu 1 bis 4 sind (bzw. waren) Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 5, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie streiten über die Zuständigkeiten eines durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 4.3.2011 eingerichteten Beirats und über die bei Abstimmungen in diesem erforderliche Mehrheit. Die Antragstellerin ist eine Tochter der M. AG, die Antragsgegnerin zu 5 die Holdinggesellschaft der M.-S. Gruppe. An dieser war die Antragstellerin zur Zeit des Schiedsverfahrens zu 75,41 % beteiligt, die Antragsgegner zu 1 bis 4 zu insgesamt 24,59 %. Die Beteiligung der Antragstellerin beträgt auch jetzt noch weniger als 80 %. Ursprünglich bedurften nach dem Gesellschaftsvertrag Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer Mehrheit von mehr als 75 % der abgegebenen Stimmen. Im Zusammenhang mit der Einbringung der S.-H. Handelsgesellschaft durch die Rechtsvorgängerin der M. AG wurde die für Gesellschafterbeschlüsse notwendige Mehrheit auf mehr als 80 % erhöht. Die S.-H. Handelsgesellschaft wurde im Jahr 1994 auf die - damalige - S. GmbH verschmolzen und in M. S. Holding GmbH - die Antragsgegnerin zu 5 - umbenannt.
Der Gesellschaftsvertrag erlaubt es, einen Gesellschafterausschuss oder einen Beirat als weitere Organe einzurichten. Anfang 2011 teilte die Antragstellerin den Antragsgegnern zu 1 bis 4 mit, sie wolle von der Möglichkeit der Einrichtung eines Beirats Gebrauch machen. In der Gesellschaft...