Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährungseintritt, Verjährungsfrist, Verjährungshöchstfrist, Verwirkung, Mängelansprüche, Sachverständiger Prüfung, Wohnungseigentumsgemeinschaft, Unwirksame Abnahmeklausel, Wirtschaftsgut, Abzug neu für alt, Abgeltungsklausel, Bauträgervertrag, Abnahme des Gemeinschaftseigentums, Besteller, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Erheblicher Zeitablauf, Prüfungsrecht, Kostenvorschuss, Rücknahme der Berufung, Schuldnerschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch wenn die Abnahme fehlschlägt, bestehen Mängelansprüche der Erwerber nicht zeitlich unbeschränkt fort. Die Erwerber können ihre Mängelansprüche verwirken.

2. Allein ein erheblicher Zeitablauf reicht nicht aus, um von einer Verwirkung der Mängelansprüche auszugehen. Maßgeblich ist jeweils eine Gesamtschau der konkreten Umstände des Einzelfalls.

3. Die Verwendung einer unwirksamen Abnahmeklausel durch den Bauträger steht der Verwirkung der Mängelansprüche nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB §§ 194, 242, 633-634, 637 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.07.2023; Aktenzeichen 2 O 1924/22)

 

Nachgehend

OLG München (Beschluss vom 01.12.2023; Aktenzeichen 28 U 3344/23 Bau e)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.07.2023, Az. 2 O 1924/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

 

Gründe

I. Urteil des Landgerichts

Das Landgericht wies die auf Kostenvorschuss der klagenden Wohnungseigentumsgemeinschaft gerichtete Klage als verwirkt ab.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass zwischen den Mitgliedern der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten 1999 ein Bauträgervertrag geschlossen worden sei. Die Erwerber hätten das Gemeinschaftseigentum nicht abgenommen; die Verträge sähen eine Abnahme durch einen vom Käufer unwiderruflich zu bestellenden Sachverständigen vor, wobei streitig geblieben sei, ob der eingesetzte Sachverständige nach Übergabe des Objekts 2001 die Abnahme erklärt habe.

Die Klägerin habe 2004 diverse Mängel an der Heizanlage gerügt, in der Folgezeit habe sie einen Sachverständigen beauftragt, der 2005 auf 37 Seiten eine Vielzahl an Mängeln festgestellt habe. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass 2006 die Mängel überwiegend behoben worden seien; 2007 sei in einer Eigentumsversammlung vermerkt worden, dass die Gewährleistung nunmehr abgelaufen sei, die Mängelbeseitigung weit fortgeschritten und fast abgeschlossen sei.

Die Klägerin habe 2021 erhebliche Mängel am Dach gerügt, deren Beseitigung sie mit über 800.000 Euro beziffert habe.

Die im Raum stehenden Ansprüche der Klägerin seien aber verwirkt.

II. Berufung der Klägerin

Die Klägerin argumentiert, das Erstgericht habe zu Unrecht eine Verwirkung der Ansprüche angenommen.

III. Gegenwärtige Einschätzung des Senats

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die im Raum stehenden Ansprüche der Klageseite gemäß § 637 Abs. 3 BGB sind jedenfalls verwirkt.

a) Die im vorliegenden Fall zu behandelnde - eher rechtspolitische - Fragestellung ist, ob im Hinblick auf eine fehlgeschlagene Abnahme Mängelansprüche zeitlich unbeschränkt fortbestehen.

Dies ist aus Sicht des Senats mit den Gründen der Rechtssicherheit und der Billigkeit nicht in jedem Fall zu vereinbaren. Der 28. Zivilsenat hat in diversen Entscheidungen hierbei aber deutlich gemacht, dass allein auch ein erheblicher Zeitablauf nicht ausreichend ist, die Verwirkung die Ausnahme darstellt und diese auf besondere und atypische Einzelfälle beschränkt ist. Maßgeblich ist jeweils eine Gesamtschau der konkreten Umstände des Einzelfalls.

b) Mit der Verjährung hat der Gesetzgeber ein Rechtsinstitut geschaffen, dass aus Gründen des Schuldnerschutzes und vor allem des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit allgemein als zwingend erforderlich anerkannt ist, eine spezialgesetzliche Ausformulierung von Treu und Glauben darstellt und letztlich auch öffentliche Interessen schützt.

Der Gesetzgeber hat sich hierbei wertend entschieden, den Aspekt der Verjährung auf Ansprüche i.S.d. § 194 BGB zu beschränken und gerade das gesetzliche Regelungskonzept der §§ 197, 199, 200 f. BGB zeigt, dass grundsätzlich keine Ausnahmen gewollt sind und sogar Zustände, wie z.B. das Eigentum, betroffen sein können (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Auch die §§ 438 Abs. 3, 634a Abs. 3 BGB zeigen, dass sogar bei einem arglistigen (meist gleichzeitig deliktischem) Verhalten den Aspekten des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit immanente Bedeutung zugemessen wird und eine Verjährung in Betracht kommt.

Gleiche Erwägungen gelten im Hinblick auf die Dauer der Verjährungsfristen. Auch insoweit hat der Gesetzgeber Wertungsentscheidungen dahi...

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