Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes: Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Verfügt ein den rentenfernen Jahrgängen zugehöriger Ehegatte über ein Anrecht auf Leistungen aus der Pflichtversicherung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, dessen Ehezeitanteil eine zum 1.1.2002 gutgebrachte, aber nach BGHZ 174, 127 gleichheitswidrige Startgutschrift enthält, ist das Verfahren zum Versorgungsausgleich nach der seit 1.9.2009 geltenden Rechtslage nicht mehr grundsätzlich bis zu einer Neuregelung der Berechnungsgrundlage auszusetzen (so aber BGH FamRZ 2009, 303 zum bisherigen Recht).
2. Vielmehr kann dieses Anrecht als nicht ausgleichsreif vom Versorgungsausgleich bei der Scheidung ausgenommen werden, womit dem Ausgleichsberechtigten schuldrechtliche Ansprüche nach der Scheidung gem. §§ 20-26 VersAusglG vorbehalten werden (ebenso OLG München, 12. Zivilsenat, Beschl. v. 1.9.2010 - 12 UF 1006/10, juris).
Normenkette
VersAusglG §§ 19-26; ZPO § 148; FamFG § 21
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 02.06.2010; Aktenzeichen 532 F 9005/09) |
Tenor
I. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich im Beschluss des AG München vom 2.6.2010 wird hinsichtlich des Anrechts der Antragstellerin bei der B. Versorgungskammer dahin geändert, dass ein Wertausgleich dieses Anrechts bei der Scheidung nicht stattfindet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.486,80 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Scheidungsverbundbeschluss vom 2.6.2010 hat das AG die Ehe der Beteiligten geschieden und neben dem Ausgleich anderer Versorgungen zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der B. Versorgungskammer (BVK) ein Anrecht i.H.v. 22,245 Versorgungspunkten zugunsten des Antragsgegners übertragen. Hiergegen hat die BVK Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, ein Anrecht von 17,33 Versorgungspunkten zu übertragen, wie sie es auch in ihrer Auskunft an das AG vorgeschlagen hatte.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde nicht entgegengetreten. Sie hat keine Bedenken gegen die Berechnung der Beschwerdeführerin.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II. Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt jedoch nicht zu der von der Beschwerdeführerin beantragten Abänderung der Ausgleichshöhe, sondern zum Ausschluss des Wertausgleichs dieser Versorgung bei der Scheidung.
1. Nach Auskunft der BVK hat die Antragstellerin bei ihr ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 44,49 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 17,33 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 8.032,73 EUR.
Dieses Anrecht wäre nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 17,33 Versorgungspunkten zugunsten des Antragsgegners auszugleichen. Der vom Versorgungsträger vorgeschlagene Ausgleichswert ist zunächst nicht zu beanstanden. Er weicht vom halben Betrag des Ehezeitanteils der Versorgung des Antragsgegners aus zwei Gründen ab:
- erstens durfte der Versorgungsträger die Teilungskosten in Abzug bringen und
- zweitens waren die unterschiedlichen Barwertfaktoren für die am 2.7.1961 geborene Antragstellerin und den am 4.12.1953 geborenen Antragsgegner zu berücksichtigen.
2. Der Ausgleich kann jedoch derzeit nicht durchgeführt werden. Wie sich aus der Auskunft der Beschwerdeführerin ergibt, hat die Antragstellerin in ihrer Beschäftigungszeit vom 1.9.1998 bis zum 31.12.2001 eine Startgutschrift nach der geltenden Satzung des Versorgungsträgers von 12,76 Versorgungspunkten erworben, die bei dem Ehezeitanteil der Versorgung der Antragstellerin Berücksichtigung fanden. Diese Startgutschrift bemisst sich nach § 73 Abs. 1 der Satzung der Beschwerdeführerin gem. § 18 Abs. 2 BetrAVG für jedes Jahr der Pflichtversicherung auf 2,25 % der Vollrente.
a) Wie der 4. Zivilsenat des BGH entschieden hat (OLG München vom 14.11.2007 Az. IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 = FamRZ 2008, 395 [LS]), führt dies zu einer sachwidrigen, gegen Art. 3 GG verstoßenden Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten. Eine verfassungsgemäße Neufassung der Satzung der Beschwerdeführerin steht noch aus. Da somit der Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der BVK derzeit nicht möglich ist, ehe der Versorgungsträger eine neue Satzung beschlossen hat, wäre bei Geltung des alten Rechts den Vorgaben des BGH entsprechend das Verfahren insoweit auszusetzen gewesen (BGH FamRZ 2009, 303 = NJW-RR 2009, 361).
b) Der BGH hatte die Aussetzung auf die entsprechende Anwendung von § 148 ZPO gestützt. Nunmehr ist nach neuem Recht auf die Aussetzungsentscheidung § 21 Fam FG anzuwenden. Diese Vorschrift lässt die Aussetzung allgemein aus wichtigem Grund zu und erwähnt die Aussetz...