Entscheidungsstichwort (Thema)
Kind, FamFG, Kostenentscheidung, Verfahren, Eltern, Rechtsweg, Kostentragung, Verfahrensbeistand, Gefahr, Vater, Verschulden, Verhandlung, Voraussetzungen, Beschwerdeverfahren, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg, Kosten des Verfahrens
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 16.04.2021; Aktenzeichen 555 F 2468/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 16.04.2021 in Ziff. 2 aufgehoben und neu gefasst wie folgt:
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.400,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Großvater des betroffenen Kindes regte mit Schreiben vom 13.03.2021 die Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen an mit dem Ziel, im Hinblick auf § 1666 Abs. 1 und Abs. 4 BGB die Entbindung des betroffenen und aller weiteren Kinder von der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während und außerhalb des Unterrichts und zur Wahrung räumlicher Distanz zu veranlassen und gleichzeitig die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrunde liegenden Vorschriften zu prüfen.
Das Gericht kam der Anregung nach, bestellte nach Anhörung der Eltern einen Verfahrensbeistand für das Kind und hörte das Kind, den Verfahrensbeistand und die Eltern persönlich an. Auf den Inhalt der Vermerke vom 13.04.2021 und 15.04.2021 wird jeweils Bezug genommen. Der Vater schloss sich in der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2021 der Anregung des Großvaters an.
Mit Beschluss vom 16.04.2021 stellte das Amtsgericht München das Verfahren ein und legte die Kosten des Verfahrens dem Vater und Großvater je zur Hälfte auf. Zur Begründung führte es aus, den Familiengerichten obliege keine gerichtliche Kontrolle der Exekutive. Auch habe kein Anlass bestanden, von Amts wegen eine nicht näher geschilderte Gefährdung des betroffenen Kindes zu ermitteln, da ein konkreter Anlass für derartige Ermittlungen nicht vorgetragen worden sei. Es seien jedoch insoweit Ermittlungen veranlasst gewesen, als der Inhalt des Schreibens die Besorgnis begründet habe, das Kind werde der Pandemie schutzlos ausgesetzt und daher sorgerechtliche Maßnahmen gegen die Eltern erforderlich sein könnten. Dies habe sich nicht bestätigt, da die Eltern das Kind derzeit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen ließen und das Kind im Wege des Distanzunterrichts beschult werde.
Die Kosten des Verfahrens seien dem Vater aufzuerlegen, da er habe erkennen können, dass die Anregung keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Die Kostentragung des Großvaters sei nach § 81 Abs. 4 FamFG begründet, da das Verfahren durch sein Schreiben veranlasst worden sei und auch er hätte wissen können, dass dem Wohl des Kindes derzeit keine Gefahr drohe.
Gegen diese dem Vater am 19.04.2021 zugestellte Entscheidung legte er mit Schreiben vom 03.05.2021 Beschwerde ein. Zur Begründung wird ausgeführt, das Kind bekomme durch das Tragen der Maske Bläschen am Mund und Kopfschmerzen. Aufgrund der Entscheidungen der Amtsgerichte Weimar und Weilheim habe der Vater davon ausgehen können, dass durch das Tragen von Masken eine Kindeswohlgefährdung vorliege.
II. Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Schreiben des Großvaters des betroffenen Kindes an das Amtsgericht war als Anregung zur Einleitung eines Kinderschutzverfahrens formuliert. Gemäß § 24 Abs. 1 FamFG entscheidet das Gericht selbst, ob es auf die Anregung hin ein Verfahren einleitet oder dies unterlässt. Letzteres ist dem Anregenden gemäß § 24 Abs. 2 FamFG mitzuteilen. Eine Pflicht zur Einleitung eines Verfahrens folgt nicht aus der Anregung, sondern alleine aus sachlichem Recht (Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 24 Rn. 3). Die Anregung vom 13.03.2021 formuliert das Rechtsschutzziel dahingehend, dass die Maßnahmen des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes etc. durch das Familiengericht beendet werden und die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften der Verordnung des Landes Bayern überprüft werden sollen. Insoweit ist der Rechtsweg zu den Familiengerichten nicht eröffnet. Inhalt der Anregung ist nämlich nicht eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls durch die Sorgeberechtigten oder dritte Personen, sondern die allgemeine Überprüfung der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen. Dies obliegt alleine den Verwaltungsgerichten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.05.2021, 4 UF 90/21; OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.04.2021, 9 WF 342/21; OLG Jena, Beschluss vom 19.05.2021, 1 UF 136/21).
Der Senat sieht sich in der Lage, die Ermessensentscheidung des Amtsgerichts zu überprüfen und zu korrigieren. Dabei kann dahinstehen, ob die Prüfung auf einen Ermessensfehl- oder Ermessensnichtgebrauch beschränkt ist (so OLG Düsseldorf Beschluss vom 20.03.2019, 3 Wx 199/18 und OLG Celle BeckRS 2019, 41926; für eine umfassende Übe...