Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren vor der Vergabekammer sind Verdienstausfall und Fahrtkosten für die Anreise einer Partei aus einer 250 km entfernten Stadt zur Wahrnehmung von Akteneinsicht in die Akten der Vergabestelle jedenfalls dann keine notwendigen Auslagen, wenn zugleich ein im Vergaberecht versierter Rechtsanwalt für die Partei Akteneinsicht nimmt, von dem nach den Umständen erwartet werden kann, dass er eigenständig die für die Vertretung des Mandanten nötigen bzw. hilfreichen Unterlagen ausfindig macht und kopiert.
Normenkette
GWB § 128 Abs. 4
Verfahrensgang
Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 08.11.2005; Aktenzeichen 320.VK-3194-20/05) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 8.11.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 842,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner schrieb Europaweit im Offenen Verfahren im Zuge von Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten für das Klinikum N. die Küchentechnik aus. Die Antragstellerin stellte am 17.5.2005 einen Nachprüfungsantrag, den die Vergabekammer mit Beschl. v. 17.6.2005 zurückwies. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wurde die Entscheidung der Vergabekammer durch Beschluss des OLG München vom 18.8.2005 aufgehoben, dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben und die Verfahrenskosten dem Antragsgegner auferlegt; die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer wurde für die Antragstellerin für notwendig erklärt.
Mit Schriftsatz vom 20.10.2005 beantragte die Antragsstellerin die Festsetzung der ihr entstandenen Kosten. Bei der Berechnung der Anwaltsgebühren nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2400 RVG-VV legte die Antragstellerin die 2,5-fache Geschäftsgebühr zugrunde. Außerdem beantragte sie die Festsetzung von 281 EUR Verdienstausfall und Fahrtkosten für einen vom Geschäftsführer der Antragstellerin vorgenommenen Akteneinsichtstermin in Ansbach.
Mit Beschl. v. 8.11.2005 setzte die Vergabekammer die der Antragsstellerin vom Antragsgegner zu erstattenden Kosten im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer auf 2.526,80 EUR fest. Bei der Berechnung der anwaltlichen Gebühr legte die Vergabekammer eine 2,0 fache Geschäftsgebühr zugrunde. Den beantragten 2,5-fachen Satz der Gebühr hielt die Vergabekammer für unbillig hoch, da das gegenständliche Verfahren nicht als schwierig und umfangreich einzustufen sei. Die Erstattung der geltend gemachten Reisekosten und des Abwesenheitsgeldes für die durch den Geschäftsführer der Antragstellerin wahrgenommene Akteneinsicht lehnte die Vergabekammer mit dem Hinweis ab, zur zweckentsprechenden Rechtsvertretung seien diese Aufwendungen nicht notwendig gewesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 24.11.2005. Sie ist der Auffassung, ihr stünden eine um 561,50 EUR höhere Geschäftsgebühr zu, da nicht vom 2-fachen, sondern vom 2,5-fachen Satz auszugehen sei. Es sei schon unzutreffend, dass die Vergabekammer eine Kappungsgrenze von 1,3 annehme. Außerdem sei angesichts der im streitgegenständlichen Verfahren zu klärenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen der Ansatz einer 2,5-fachen Gebühr nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen sei auch der Umstand, dass die Vergabestelle ohnehin durch den Ansatz des Streitwertes i.H.v. lediglich 5 % des Auftragswertes privilegiert sei. Auch die Reisekosten bzw. das Abwesenheitsgeld für den Geschäftsführer i.H.v. 281 EUR seien vom Antragsgegner zu erstatten, denn ohne die Partei habe der Anwalt eine sachgerechte Beurteilung der Unterlagen bei der Akteneinsicht nicht vornehmen können.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Antragstellerin steht nicht mehr als die von der Vergabekammer festgesetzte 2,0-fache Geschäftsgebühr zu. Wird der Rechtsanwalt im Vergabenachprüfungsverfahren nach den §§ 97 ff. GWB tätig, richtet sich seine Vergütung nach Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zu § 2 Abs. 2 RVG, da er außergerichtlich tätig wird. Für diese Tätigkeit erhält der Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV. Vorgesehen ist ein Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt im Einzelfall die Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG). In der Praxis wird grundsätzlich von dem Mittelwert der einschlägigen Rahmengebühr ausgegangen (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 14 RVG Rz. 14); der Höchstwert ist nur bei überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und einer besonderen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit anzusetzen (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 14 RVG Rz. 15). Ist die Gebühr von einem Drit...