Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Verjährung des Rechtsschutzanspruchs und offensichtliche Unrichtigkeit eines Stichentscheids
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Stichentscheid muss in einer der Komplexität des Streitfalls entsprechenden Weise mit dem Streitstoff, der Beweissituation und der Argumentation des Versicherers auseinandersetzen.
2. Hat sich aber zu einer diskussionswürdigen Frage - der Notwendigkeit eines Hinweises auf Schiffsgläubigerrechte bei der Prospekthaftung - noch keine herrschende Meinung gebildet, besteht im Regelfall eine hinreichende Erfolgsaussicht.
3. Der Deckungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer kann erst fällig werden, wenn er angemeldet und geltend gemacht worden ist.
Normenkette
BGB § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 242; VVG §§ 84, 125
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 18.09.2018; Aktenzeichen 26 O 5884/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.09.2018, Az. 26 O 5884/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die hinreichenden Erfolgsaussichten für das erstinstanzliche Klageverfahren vor dem Landgericht Hamburg (Az. 318 O 332/17) im Sinne von § 18 (1) der ARB (Anlage K2) aufgrund des formal und inhaltlich wirksamen Stichentscheids vom 20.11.2017 (Anlage K8) zu bejahen waren und die Beklagte daher Deckungsschutz für dieses Verfahren schuldete.
Ein Stichentscheid ist nach § 18 (2) Satz 2 der ARB für beide Parteien bindend, es sei denn, dass er offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht. Ein Stichentscheid weicht - in Anlehnung an die zu § 84 VVG entwickelten Auslegungsgrundsätze - offenbar erheblich von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab, wenn sich seine Unrichtigkeit einem Sachkundigen nach der gebotenen Prüfung mit aller Deutlichkeit aufdrängt. Die Bindung des Versicherers an eine dem Versicherten günstige Stellungnahme bedeutet, dass der Versicherer sich nicht mehr auf das Fehlen der Erfolgsaussicht berufen kann (Prölss/Martin, vvg, 30. Aufl., ARB 2010 § 3a, Rn. 40 f.).
Inhaltlich muss ein Stichentscheid den Streitstoff darstellen, auf die Beweissituation eingehen, sich im Rahmen der rechtlichen Würdigung auch mit etwaigen Gegenargumenten auseinandersetzen und insbesondere erkennen lassen, in welchen Punkten der Anwalt die Ansicht des Versicherer für unrichtig hält. Er muss sich mit den Argumenten des Versicherers befassen. Im Einzelnen hängt der erforderliche Umfang von der Komplexität des Streitstoffes, von den schon bisher in der Korrespondenz mit dem Versicherer ausgetauschten Argumenten und dem Stadium ab, in dem sich die Interessenwahrnehmung gerade befindet (BGH, Urteil vom 17. Januar 1990 - IV ZR 214/88, NJW-RR 1990, 922).
Nach diesen Maßstäben lässt sich nicht feststellen, dass sich aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht die Unrichtigkeit des Stichentscheids vom 20.11.2017 (Anlage K8) einem Sachkundigen nach der gebotenen Prüfung mit aller Deutlichkeit aufgedrängt hätte. Insbesondere setzte sich der Stichentscheid nach vorangegangenem E-Mail-Verkehr, aus dem sich der Streitstoff ergab, ausführlich mit den von der Beklagten gegen die Prospektfehler vorgebrachten Argumenten auseinander. Dass das Landgericht Hamburg den Argumenten aus dem Stichentscheid, die sich im Verfahren wiederfinden, nicht gefolgt ist, spielt keine Rolle, da nicht die ex-post-Sicht entscheidend ist. Im Einzelnen:
1. Bezüglich des Zwischengewinns der verflochtenen Verkäufergesellschaft beim Erwerb des Fondsschiffes sieht die Beklagte zwar keinen Erläuterungsbedarf im Prospekt, im Stichentscheid ist jedoch nachvollziehbar ausgeführt, dass es einen Interessenkonflikt der Gründungsgesellschafter begründe, wenn sie ihren Gewinn bereits im Gründungsstadium und nicht erst bei der Durchführung des Fonds erwirtschafteten. Der Zwischengewinn ergebe sich aus dem Jahresabschluss der Verkäufergesellschaft, da die 25 u 4144/18 - Seite 3 Anschaffungskosten danach nicht wie prospektiert rund EUR 36 Mio., sondern lediglich rund EUR 34 Mio. betragen hätten. Hinsichtlich der von der Beklagten eingewandten Verjährung führt der Stichentscheid zu einer fehlenden Kenntnis der Klagepartei aus und verweist auf das Urteil des BGH vom 06.02.2013, Az. XI ZR 498/11. Der entsprechende Sondervorteil sei nicht ausgewiesen, möge der Prospekt auch hinsichtlich der rechtlichen und personellen Verflechtungen ansonsten fehlerfrei sein.
2. Im Hinblick auf die aufklärungspflichtigen Weichkosten verweist der Stich...