Leitsatz (amtlich)

Auch wenn ein Sachverständiger im Gutachten eine Aufrechterhaltung der Betreuung mit umfassenden Aufgabenkreisen wegen deren "wichtiger Schutzfunktion" für den Betroffenen (hier: mit Residualsyndrom bei schizophrener Psychose) "psychiatrischerseits dringend empfiehlt", entbindet dies das Tatsachengericht nicht von der Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes. Es bedarf der Feststellung anhand konkreter Tatsachen für jeden einzelnen Aufgabenkreis, dass der Betroffene insoweit seine Angelegenheiten auch künftig nicht selbst regeln kann und inwieweit ein Handlungsbedarf für eine gesetzliche Vertretung in einzelnen Bereichen absehbar ist.

 

Normenkette

BGB § 1896 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Beschluss vom 31.05.2005; Aktenzeichen 2 T 81/05)

AG Weiden i.d. OPf. (Aktenzeichen XVII 226/95)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Weiden i.d. OPf. vom 31.5.2005 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das LG Weiden i.d. OPf. zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Für die Betroffene ist seit Anfang 1996 die auch jetzt noch tätige Betreuerin bestellt für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über die Unterbringung, Vermögenssorge sowie Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialhilfe.

Am 14.7.2003 stellte die Betroffene den Antrag, die Betreuung aufzuheben. Diesem Antrag wurde durch Beschluss des AG vom 8.12.2003 nicht stattgegeben, sondern die Betreuung bis zum 7.12.2008 verlängert, wobei die Aufgabenkreise folgendermaßen gefasst wurden: Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über die Unterbringung, Vermögenssorge, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Wohnungsangelegenheiten. Am 4.5.2004 beantragte die Betroffene erneut, die Betreuung aufzuheben. Bei einer persönlichen Anhörung erklärte die Betroffene, dieser Antrag sei als Beschwerde zu verstehen. Die Beschwerde wurde durch Beschluss des LG am 3.6.2004 zurückgewiesen.

Die Betreuerin beantragte am 9.1.2005 die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis "Vertretung bei der Durchführung der Erbauseinandersetzung", da die Betroffene an einem Nachlass beteiligt sei. Bei der richterlichen Anhörung erklärte die Betroffene, sie wolle die Betreuerin loshaben. Die Betreuung wurde durch das AG am 25.4.2005 um den beantragten Aufgabenkreis (und Abwicklung des Nachlasses) erweitert.

Die Betroffene legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein und beantragte, die Betreuung aufzuheben, insb. aber auch die Betreuerin zu entlassen, da diese eine zu hohe Vergütung geltend gemacht habe.

Das LG hat nach persönlicher Anhörung der Betroffenen durch die Kammer die Beschwerde mit Beschl. v. 31.5.2005 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer weiteren Beschwerde, mit der sie nach wie vor eine Aufhebung der Betreuung, hilfsweise eine Abberufung der Betreuerin erreichen will.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet.

1. Das LG hat in seiner Entscheidung ausgeführt: Bereits im Beschl. v. 3.6.2004 habe die Kammer aufgrund des zuletzt eingeholten Gutachtens des LGarztes Dr. R. festgestellt, dass bei der Betroffenen ein Residualsyndrom bei schizophrener Psychose vorliege. Infolge dieser psychischen Krankheit könne die Betroffene ihre Angelegenheiten in den vom VormG festgelegten Aufgabenkreisen nicht eigenständig erledigen. Das gelte auch für den mit Beschl. v. 25.4.2005 festgelegten weiteren Aufgabenkreis der Vertretung bei der Erbauseinandersetzung und Abwicklung der Erbschaft. Bei der Anhörung am 31.5.2005 sei deutlich geworden, dass die Betroffene in diesem Aufgabenkreis nicht selbständig handeln könne. Ihre psychische Erkrankung bewirke vielmehr ein unangemessenes und die Durchsetzung ihrer Ansprüche gefährdendes Verhalten. Die Anhörung habe auch bestätigt, dass sich der Gesundheitszustand der Betroffenen nicht wesentlich verbessert habe. Nach wie vor gebe es bei ihr Anzeichen für paranoides Gedankengut, welches offensichtlich auch zu Verhaltensauffälligkeiten führe. Die daraus folgenden Schwierigkeiten nicht nur im Wohnumfeld der Betroffenen würden sie und ihre Lebenssituation destabilisieren. Die Betroffene sei zwar nicht geschäftsunfähig, aber krankheitsbedingt nicht in der Lage, die Notwendigkeit der Betreuung einzusehen. Diese sei deshalb trotz des entgegenstehenden Willens der Betroffenen aufrecht zu erhalten. Bei Aufhebung der Betreuung bestünde die Gefahr, dass aufgrund der dann zu befürchtenden weiteren Entwicklung alsbald einschneidendere Maßnahmen drohten, z.B. die erneute Unterbringung der Betroffenen. Im Übrigen liege die Annahme nahe, dass der Wunsch nach Aufhebung der Betreuung vor allem finanzielle Hintergründe habe. Die Betroffene erwarte einen nicht unerheblichen Geldbetrag aus einer Erbschaft und befürchte offenbar, dass dieser zu einem wesentlichen Teil durch die Kosten der Betreuung aufgezehrt ...

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